Mit dem Beschluss vom 23. August 2023 hat das Bayerische Oberste
Landesgericht (BayObLG) die Anwendbarkeit der Net Asset Value (NAV)
Methode als Bewertungsverfahren bei einer
vermögensverwaltenden Gesellschaft für Zwecke der
Ermittlung einer angemessenen Barabfindung der
Minderheitsaktionäre im Rahmen ihres Ausschlusses nach §
327a AktG (Squeeze-out) bestätigt.
Nach Einschätzung des BayObLG ist die NAV-Methode eine anerkannte, in der Praxis gebräuchliche und für den konkreten Bewertungszweck geeignete, fachgerechte Bewertungsmethode. Ihrer Anwendung sei für Zwecke der Bewertung einer vermögensverwaltenden Gesellschaft gegenüber der Bewertung nach dem Ertragswertverfahren der Vorzug zu geben.
Ihr Wert resultiert vor allem aus der Ertragskraft ihrer
Kapitalanlagen, die wiederum maßgeblich in deren Marktwerten
(Verkehrswerten) zum Ausdruck komme. Ausgehend davon ergebe sich
der Wert einer vermögensverwaltenden Gesellschaft als Summe
der Verkehrswerte ihrer Kapitalanlagen zuzüglich des
Werts sonstiger Vermögensgegenstände und abzüglich
des Gesamtwerts der Verbindlichkeiten. So verstanden handle es sich
um eine modifizierte Ertragsbewertung, bei der die spezifischen
Gegebenheiten einer vermögensverwaltenden Gesellschaft
angemessen berücksichtigt würden.
Diese Auffassung steht im Einklang mit der mittlerweile ständigen Rechtsprechung (vgl. BayObLG, Beschluss vom 18. Mai 2022, 101 ZBR 97/20, juris Rn. 43 m. w. N.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. November 2020, 21 W 76/19, AG 2021, 275 [juris Rn. 20 f.]; Beschluss vom 8. September 2016, 21 W 36/15, AG 2017, 553 [juris Rn. 32 ff.]; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25. Mai 2020, 12 W 17/19, AG 2020, 755 [756 juris Rn. 45 ff.]; OLG München, Beschluss vom 12. Juli 2019, 31 Wx 213/17, AG 2020, 56 [juris Rn. 52 ff.]).
Des Weiteren führt das BayObLG aus, dass steuerliche
Verlustvorträge zwar bei einer Unternehmensbewertung nach der
Ertragswertmethode ein Wertfaktor seien, der zu einer Aufwertung
führen könne, jedoch könnten sie bei der Anwendung
der NAV-Methode nicht berücksichtigt werden, weil sie keine
verkehrsfähigen Vermögenswerte darstellen würden
(vgl. LG Frankfurt a.M., Beschluss vom
16.12.2014, NZG 2015, 365 Rn. 70). Dies beruhe auf dem
konzeptuellen Unterschied der beiden Methoden.
Bei der Anwendung der NAV-Methode sei jeder
Vermögensgegenstand gesondert zu betrachten, wobei die
Einzelbewertung nach der Methode erfolgen könne, die jeweils
passend erscheint (vgl. OLG Karlsruhe, AG 2020, 755 [756, juris Rn.
45]).Hinsichtlich der künftigen Verwaltungskosten der
vermögensverwaltenden
Gesellschaft stellt das BayObLG fest, dass deren Barwert nach der
NAV-Methode auf den Stichtag abgezinst wertmindernd zu
berücksichtigen sei, soweit diese nicht bereits in den
Verkehrswerten der Kapitalanlagen Berücksichtigung fanden und
sich dort wertmindernd niederschlagen.
Bei der Ermittlung des Barwerts der Verwaltungskosten sei zur
Abzinsung ein Zinssatz vor persönlichen Ertragsteuern
anzusetzen, da die NAV-Methode anders als das Ertragswertverfahren
persönliche Steuern auf Ebene der Anteilseigner nicht
berücksichtige (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25. Mai 2020, 12
W 17/19, juris Rn.
84).
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