Spitäler Auf Der Notfallstation – Das Nachlassverfahren Als Mögliches Sanierungsinstrument

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Die steigenden Kosten im Schweizer Gesundheitswesen beschäftigen nicht nur die Politik und die Öffentlichkeit, sondern auch die Spitäler als Unternehmen.
Switzerland Insolvency/Bankruptcy/Re-Structuring
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Key Take-aways

  1. Immer mehr Schweizer Spitäler befinden sich aufgrund steigender Kosten in einer finanziellen Notlage.
  2. Der Verwaltungsrat als oberstes Führungsorgan eines als Aktien­gesellschaft organisierten Spitals ist verpflichtet, Sanierungsmassnah­men zu prüfen und nötigenfalls zu ergreifen.
  3. Das Nachlassverfahren nach Art. 293 ff. SchKG stellt ein wichtiges Sanierungsinstrument dar und kann ein geeigneter Weg zur Vermeidung eines Konkurses sein.

1 Hintergrund

Die steigenden Kosten im Schweizer Gesundheitswesen beschäftigen nicht nur die Politik und die Öffentlichkeit, sondern auch die Spitäler als Unternehmen. Diese sehen sich seit Jahren mit zunehmenden Ausgaben, einem Anstieg der Patientenzahlen und hohen Lohnkosten für hochqualifiziertes Personal konfrontiert. Insbesondere aufgrund der im Jahr 2012 eingeführten Fallpauschalen und der vermehrten ambulanten Behandlungen können die Kosten teils nicht mehr gedeckt werden. Als Folge geraten immer mehr Spitäler in finanzielle Schieflage. Ein Sanierungsinstrument, das die Spitalführung dann ergreifen kann, ist das Nachlassverfahren nach Art. 293 ff. des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG). Wie den Medien zu entnehmen war, wurde dieser Weg jüngst vom Zürcher Spital Wetzikon, betrieben von der GZO AG, gewählt. Dies insbesondere, um sich für die fällige Rückzahlung einer von der GZO AG ausgegebenen Anleihe in der Höhe von CHF 170 Millionen einen Aufschub zu verschaffen und eine Lösung mit den Gläubigern zu finden, und gleichzeitig den Spitalbetrieb mehr oder weniger unverändert weiterführen zu können. Doch nicht in allen Fällen ist das Nachlassverfahren das geeignete Instrument aus der Krise.

Steigende Gesund-heitskosten beschäftigen nicht nur die Politik und die Öffentlichkeit, sondern auch Spitäler als Unternehmen.

2 Allgemeines zum Nachlassverfahren

Kann ein Unternehmen finanzielle Schwierigkeiten nicht durch betriebswirtschaftliche Massnahmen und aussergerichtliche Lösungen mit seinen Gläubigern beheben, kann das gerichtliche Nachlassverfahren nach Art. 293 ff. SchKG eine Möglichkeit zur (teilweisen) Sanierung und Abwendung eines drohenden Konkurses bieten. Mit der Konkurseröffnung wird der schuldnerische Betrieb im Normalfall sofort stillgelegt. Der Konkurs endet zwingend in der Liquidation sämtlicher Vermögenswerte des Schuldners und der Auflösung der Gesellschaft. Dies ist bei Spitälern hochproblematisch, da Patienten weiter behandelt und Patientenakten übertragen werden müssen. Das Nachlassverfahren ist dagegen auf die Fortführung des Unternehmens ausgerichtet. Wie bei der Konkurseröffnung werden Betreibungen und Gerichtsverfahren ausgesetzt, die Forderungen gegen die Schuldnerin werden gestundet. Unter der Aufsicht des Nachlassgerichts gibt das Nachlassverfahren dem zahlungsunfähigen Schuldner daher eine "Schonfrist", in welcher er die Möglichkeit hat, mit seinen Gläubigern eine Lösung zu finden und seinen Betrieb ganz oder teilweise zu sanieren, während er praktisch ohne Einschränkungen und unter Leitung derselben Organe, aber unter Aufsicht eines Sachwalters, fortgeführt werden kann.

3 Pflicht des Verwaltungsrates zur Einreichung eines Gesuchs um Nachlassstundung

Schweizer Spitäler werden überwiegend und zunehmend als private Aktiengesellschaften (AG) geführt. In der AG trägt der Verwaltungsrat die Gesamtverantwortung für die finanzielle Führung des Unternehmens: Er hat die unübertragbare und unentziehbare Aufgabe der Ausgestaltung des Rechnungswesens, der Finanzkontrolle und der Finanzplanung sowie der Einreichung eines Gesuchs um Nachlassstundung und die Benachrichtigung des Gerichts im Falle der Überschuldung nach Art. 725b OR. Der Verwaltungsrat kann sich folglich seiner Pflicht und Haftung in Bezug auf die Finanzverantwortung im Allgemeinen und die genannten Aufgaben im Besonderen – insbesondere der Einreichung eines Gesuchs um Nachlassstundung – nicht durch Delegation an das Management oder Dritte entledigen.

Das Gesetz umschreibt drei finanzielle Notlagen der Aktiengesellschaft mit entsprechenden Handlungspflichten des Verwaltungsrates genauer. Dabei hat der Verwaltungsrat stets "mit der gebotenen Eile" zu handeln. Das Nachlassverfahren kann in allen drei, oft gleichzeitig auftretenden Szenarien von Relevanz sein:

In finanziellen Notlagen hat der Verwaltungsrat die Pflicht, in gebotener Eile zu handeln.

Bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit nach Art. 725 OR hat der Verwaltungsrat, soweit erforderlich, Sanierungsmassnahmen zu treffen und "nötigenfalls" ein Gesuch um Nachlassstundung einzureichen. Dasselbe gilt grundsätzlich auch bei einem Kapitalverlust nach Art. 725a OR. Konkrete Sanierungsmassnahmen für den Fall der drohenden Zahlungsunfähigkeit oder des Kapitalverlusts definiert das Gesetz nicht. Daher obliegt es dem Verwaltungsrat, nach eigenem Ermessen zu entscheiden, welche Schritte zur Sicherstellung der Liquidität und gegebenenfalls zur langfristigen Sanierung des Unternehmens geeignet sind. Zu denken ist etwa an die Neuverhandlung bestehender Verträge mit Finanzinstituten (insbesondere Kreditverträge), die Verlängerung von Zahlungsfristen, die Aufnahme neuer Darlehen, die Beantragung von Krediten, die Umstrukturierung von Vermögenswerten (Sale & Lease Back), eine Kapitalerhöhung per Generalversammlungsbeschluss, oder Kostensenkungen durch Stellenabbau oder Lohnkürzungen. Ebenfalls nicht gesetzlich definiert ist, wann das Nachlassverfahren als Sanierungsinstrument "nötigenfalls" einzuleiten ist, damit sich der Verwaltungsrat nicht haftbar macht.

Liegt eine Überschuldung gemäss Art. 725b OR vor, ist der Verwaltungsrat grundsätzlich verpflichtet, ein Gericht anzurufen: Er hat ein Gesuch um Nachlassstundung zu stellen oder aber das Gericht zwecks Konkurseröffnung zu benachrichtigen (sogenannte "Überschuldungsanzeige" oder geläufiger "Bilanzdeponierung").

Das Nachlassverfahren schafft dem Unternehmen Zeit für die Sanierung, während der Betrieb weitergeführt werden kann.

4 Ablauf des Nachlassverfahrens

4.1 Einleitung des Nachlassverfahrens

Ein Nachlassverfahren kann grundsätzlich durch ein Gesuch des Schuldners, eines Gläubigers oder, zumindest theoretisch, von Amtes wegen durch den angerufenen Konkursrichter eingeleitet werden. Bei einer AG ist das Gericht am Sitz der Gesellschaft zuständig. Dieses setzt einen oder mehrere Sachwalter ein, welche insbesondere für die Prüfung der Sanierungsmöglichkeiten, den Schuldenruf, die Verhandlungen mit den Gläubigern und den Entwurf des Nachlassvertrages zuständig sind. Während der provisorischen Nachlassstundung (dazu unten) kann in begründeten Fällen auf die Einsetzung eines Sachwalters verzichtet werden.

Reicht der Schuldner selber ein Gesuch ein, wie dies in der Praxis dem Regelfall entspricht, sind dem Gesuch eine aktuelle Bilanz, eine Erfolgsrechnung und eine Liquiditätsplanung oder entsprechende Unterlagen, aus denen die derzeitige und künftige Vermögens-, Ertrags- oder Einkommenslage des Schuldners ersichtlich ist, sowie ein provisorischer Sanierungsplan beizulegen. Diese Dokumente sind sorgfältig und korrekt vorzubereiten – wer über seine Vermögenslage irreführt, kann sich wegen Erschleichung eines gerichtlichen Nachlassvertrages strafbar machen.

Voraussetzung für das gerichtliche Nachlassverfahren ist, dass der Schuldner die Kosten des Verfahrens vorschiessen kann. Das Gesuch ist daher rechtzeitig, d.h. zu einem Zeitpunkt einzureichen, in welchem die finanzielle Lage des Unternehmens die Begleichung des Kostenvorschusses noch erlaubt.

4.2 Provisorische Nachlassstundung

Das Nachlassverfahren beginnt, wenn das Nachlassgericht die sogenannte provisorische Nachlassstundung für maximal vier Monate bewilligt (mit Verlängerungsmöglichkeit bis maximal acht Monate). Eine provisorische Nachlassstundung wird in der Regel gewährt, wenn dem Schuldner die Insolvenz droht oder in Kürze drohen wird und eine Sanierung nicht von vornherein unmöglich erscheint. Voraussetzung ist jedoch grundsätzlich, dass das Unternehmen in der Lage ist, seine Kosten (Löhne, Miete, Verbrauchsmaterial, etc.) während der Stundung aus laufenden Einnahmen (Cash Flow) oder neuen Mitteln (Überbrückungskredit) zu decken. Während der Stundung kann das Unternehmen nicht betrieben werden. Die Sanierungsmöglichkeiten werden im Detail geprüft und könnten auch bereits umgesetzt werden, während die operativen Tätigkeiten fortgesetzt werden. Auf Antrag kann das Nachlassgericht während der provisorischen Nachlassstundung auf die öffentliche Bekanntmachung verzichten (sogenannte "stille Nachlassstundung").

4.3 Definitive Nachlassstundung

Ergibt sich während der provisorischen Stundung, dass Aussicht auf Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrages besteht, so bewilligt das Nachlassgericht die Stundung definitiv für weitere vier bis sechs Monate. Spätestens in diesem Zeitpunkt wird die Nachlassstundung öffentlich bekannt gemacht und ein Sachwalter muss zwingend eingesetzt werden.

Ziel der Nachlassstundung ist die Stundung und ein (Teil-)Erlass der offenen Forderungen.

4.4 Ende des Nachlassverfahrens

Das Nachlassverfahren endet im besten Fall mit der gänzlichen Befriedigung aller Gläubiger oder mit einer freiwilligen Einigung mit allen Gläubigern, z.B. über einen Forderungsverzicht. Eine vollständige Sanierung ist jedoch in der Regel nicht möglich. Ziel des Nachlassverfahrens ist daher grundsätzlich ein Nachlassvertrag mit den Gläubigern, welcher die Weiterführung des Unternehmens als Ganzes oder zumindest zum Teil ermöglicht. Unterschieden wird dabei zwischen dem ordentlichen Nachlassvertrag (Dividendenvergleich), bei welchem den Gläubigern die Zahlung eines Teils der Forderungen versprochen wird und dem Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung (Liquidationsvergleich), bei welchem die Gläubiger das Vermögen des Schuldners oder einen Teil davon zur Verwertung erhalten. Der Nachlassvertrag muss vom Gericht bewilligt werden, wofür insbesondere vorausgesetzt ist, dass die angemeldeten privilegierten Forderungen (insbesondere von Arbeitnehmern und Sozialversicherungen) vollständig befriedigt werden und entweder die Mehrheit der Gläubiger mit mindestens zwei Dritteln der Forderungssumme oder ein Viertel der Gläubiger, die mindestens drei Viertel des Gesamtbetrages der Forderungen vertreten, dem Nachlassvertrag zugestimmt haben. Das Nachlassverfahren kann jedoch auch in der Konkurseröffnung enden, insbesondere wenn eine Sanierung nicht möglich ist oder der Nachlassvertrag abgelehnt wird.

5 Zusammenfassung

In finanziellen Krisen kann das Nachlassverfahren nach Art. 293 ff. SchKG auch für Spitäler ein geeignetes Sanierungsinstrument sein. Für den Verwaltungsrat eines als AG geführten Spitals gehört die Einreichung eines Gesuchs um Nachlassstundung zu den nichtdelegierbaren Aufgaben. Dem Verwaltungsrat kommt bei der Wahl der Sanierungsmassnahmen im Allgemeinen ein grosses Ermessen zu. Tatsächlich ist das Nachlassverfahren auch nicht in jeder finanziellen Notlage das geeignete Instrument. Primärer Zweck der Nachlassstundung ist die Stundung der offenen Forderungen und, sofern die Sanierung nicht vollständig gelingt, ein späterer (Teil-)Erlass der Forderungen im Rahmen eines Nachlassvertrags. Eine Erleichterung kann das Nachlassverfahren daher insbesondere wie im Fall des Spitals Wetzikon dann bieten, wenn die Gesellschaft mit einer Vielzahl von unbezahlten Forderungen konfrontiert ist, die nicht befriedigt werden können und mit entsprechenden Betreibungen gerechnet werden muss. Demgegenüber werden grundsätzliche Liquiditätsprobleme aus dem laufenden Betrieb auch durch das Nachlassverfahren nicht gelöst. Diesen ist mit anderen Sanierungsmassnahmen zu begegnen. Ist die Sanierung nicht möglich, hat das Spital Konkurs anzumelden.

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