Vietnamesen haben bisher geglaubt, einen Weg durch den Zoll-Dschungel zu finden. So war zuletzt der Stahlexport in die USA gestiegen. Doch nun plant der US-Präsident 46 Prozent an Einfuhrabgaben, mehr als für fast jedes andere Land.
Vietnam treffen die neuen reziproken Zölle von US-Präsident Donald Trump in Höhe von 46 Prozent hart. Ein Drittel des vietnamesischen Bruttoinlandseinkommens hängt am US-Export. Das Land hat mittlerweile das drittgrößte Außenhandelsdefizit gegenüber den USA, exportiert also deutlich mehr als es importiert – was den amerikanischen Präsidenten Donald Trump regelmäßig erzürnt hat. Die Politik hat sich dementsprechend schon vor dem Liberation Day darüber besorgt gezeigt, dass sich viele US-Investoren auf einmal aus dem Markt zurückziehen könnten.
"Daher haben sie versucht, diplomatisch vorzusorgen und wohlwollende Botschaften zu senden", erklärt Oliver Massmann. Der Partner der US-Kanzlei Duane Morris lebt und arbeitet seit mehr als 25 Jahren in Vietnam. Das Land verfolgt seit Jahrzehnten eine 'Bamboo-Diplomacy', wie die Leute sie hier nennen. Sich mit möglichst vielen anderen Staaten anfreunden, flexibel und widerstandsfähig sein und vor allem: rasant wachsen."
Um die USA zu beschwichtigen, ist ihnen der südostasiatische Staat in mehreren Bereichen entgegengekommen. Mitte Februar hatte der Minister für Industrie und Handel, Nguyen Hong Dien, angekündigt, dass Vietnam bereit sei, mehr Agrargüter aus den USA zu importieren. Um das Handelsdefizit zu schmälern, sollen auch LNG-Exporte nach Vietnam diskutiert worden sein. Und um die Führungsspitze zu besänftigen, hat Vietnams Premierminister Pham Minh Chinh außerdem den Weg für einen landesweiten Einsatz des Satelliten-Internets Starlink von Trump Intimus Elon Musk geebnet. Starlink will der Multimilliardär Mukesh Ambani zeitgleich auch nach Indien holen.
Einer der größten Stahllieferanten der USA
Eine Sonderbehandlung habe Vietnam auch vor den neuen Zöllen dadurch allerdings nicht bekommen: Die USA hatten beispielsweise 2018 viele Länder von der damaligen Erhöhung der Stahl- und Aluminiumzölle ausgenommen – nicht aber Vietnam", sagt Massmann. Importeure zahlen seitdem auf vietnamesischen Stahl 25 Prozent Zoll. Dem Handel hat das bisher keinen Abbruch getan, der Stahlexport ist im Vergleich zu 2018 trotz der Handelshemmnisse sogar deutlich gestiegen. Vietnam ist gemessen am Warenwert heute der sechstgrößte Stahllieferant der USA; bezogen auf die Menge liegt Vietnam inzwischen sogar vor Deutschland auf Platz fünf.
Trotz mangelnder Sonderbehandlung gehörte das Land außerdem zu den Profiteuren der US-Zollpolitik in Trumps erster Amtszeit. Viele Unternehmen waren aus China nach Vietnam geflüchtet oder hatten Vietnam als Transitstaat für Exporte genutzt, um den US-Strafzöllen gegen China zu entgehen. Die reziproken Zölle heben diesen Vorteil nun auf – und strafen dadurch ein weiteres Mal China ab. Ob sich die Lieferketten aus Vietnam zukünftig in die Nachbarländer verlagern könnte, bleibt abzuwarten. Auch Malaysia wird mit Abgaben von 24 Prozent belegt, Indonesien mit 32 Prozent und Kambodscha sogar mit 49 Prozent. In Washington ist Vietnam also mit seiner Bambus-Diplomatie vorerst gescheitert – und es ist fraglich, ob die florierenden Handelsbeziehungen zwischen den beiden Staaten die hohen reziproken Zölle unbeschadet überleben werden.
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