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15 April 2025

Faktische Geschäftsführung Und Verantwortungsdelegation Im Französischen Gesellschaftsrecht

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Qivive Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

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Das Ausmaß der Haftung von faktischen Geschäftsführern in- und außerhalb der Insolvenz der Gesellschaft unterscheidet sich in Frankreich wesentlich vom deutschen Recht.
Germany Corporate/Commercial Law

Das Ausmaß der Haftung von faktischen Geschäftsführern in- und außerhalb der Insolvenz der Gesellschaft unterscheidet sich in Frankreich wesentlich vom deutschen Recht. So können unter bestimmten Voraussetzungen sowohl die Organträger der Muttergesellschaft als auch die Muttergesellschaft selbst als juristische Person (sic!) faktische Geschäftsführer ihrer französischen Tochtergesellschaft sein und als solche haften.

Ein aktuelles Urteil des französischen Kassationsgerichtshofs beschäftigt sich mit der Frage, wann Organträger der Muttergesellschaft faktische Geschäftsführer der Tochtergesellschaft sein und als solche haften können.

1. Zur Einordnung: Haftungsrisiken faktischer Geschäftsführer, z. B. nach französischem Insolvenzrecht

Faktische Geschäftsführer können etwa nach Art. L651-2Code de commerce für in der Insolvenz auftretende Fehlbeträge haften. Diese Haftung ist der persönlichen Haftung von insolvenzantragspflichtigen Organträgern für Zahlungen nach Insolvenzreife nach § 15b Abs. 4 S. 1 InsO entfernt ähnlich. Im französischen Recht ist dieser Haftungstatbestanddeutlich weitreichenderausgestaltet, nämlich als Haftung von satzungsmäßigen oder faktischen Geschäftsführern gegenüber der Masse, für Geschäftsführungsfehler, die zu einem Fehlbetrag in der Insolvenz des Unternehmens geführt oder beigetragen haben, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt sie begangen wurden.

2. Muttergesellschaft, die zugleich Geschäftsführer der französischen Tochtergesellschaft ist (sic), benennt einen ständigen Vertreter

Nach französischem Recht ist es möglich, dass juristische Personen Organträger, etwa satzungsmäßige Geschäftsführer einer SAS, sein können. Diese geschäftsführende Gesellschaft" wird oft die (ausländische) Muttergesellschaft sein. Der Geschäftsführer dieser geschäftsführenden Gesellschaft" wiederum wird häufig die Voraussetzungen dafür erfüllen, dass er persönlich als faktischer Geschäftsführer der SAS gilt, da er als Organ der geschäftsführenden Gesellschaft" meist auch die Geschäftsführungsaufgaben für die französische Tochter wahrnehmen wird.

Allerdings kann die geschäftsführende Gesellschaft" nach französischem Recht förmlich einen ständigen Vertreter (représentant permanent") ernennen, d.h. eine natürliche Person, die die Geschäftsführungsaufgaben für die Tochter wahrnimmt, und die von ihrem Geschäftsführer personenverschieden sein kann. Bei einer Gesellschaft mit der Rechtsformsociété anonyme(SA) ist es sogar verpflichtend, einenreprésentant permanentzu ernennen, wenn eine juristische Person zu ihrem Organträger (administrateur) ernannt wird (art. L. 225-20 Code de commerce). Das französische Handelsgesetzbuch sieht für diesen Fall ausdrücklich vor, dass diese Person dann persönlich haftet – gesamtschuldnerisch mit der geschäftsführenden Gesellschaft".

3. Inhalt der vorliegenden Entscheidung des Kassationsgerichtshofs

Bei einer SAS (Société par actions simplifiée) ist die Ernennung eines solchenreprésentant permanentfakultativ möglich. Die vorliegende Entscheidung zeigt, dass diese Gestaltungsmöglichkeit zu einer deutlichen Veränderung der Haftungsstruktur führt.

Der Kassationsgerichtshof hat darin entschieden, dass Vertreter der geschäftsführenden Gesellschaft, die nicht ständiger Vertreter sind, nicht im Rahmen der Fehlbetragshaftung in Anspruch genommen werden können, da diese nach dem Wortlaut von Art. 651-1 des Code de commerce Anwendung findet auf satzungsmäßige und faktische Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin sowie, wenn der satzungsmäßige Geschäftsführer eine juristische Person ist, auf deren ständigen Vertreter.

Ist einreprésentant permanentbenannt, weil die Satzung der SAS dies vorsieht, haften andere satzungsmäßige Geschäftsführer außer demreprésentant permanentalso nicht allein schon aufgrund ihres Amtes als faktische Geschäftsführer der Tochter.

Praxishinweise:

  • Derreprésentant permanenteiner SA oder SAS setzt sich besonderen Haftungsrisiken aus. Ggf. sollte überprüft und sichergestellt werden, dass ervon einer D&O-Versicherung mitversichertist, auch wenn er kein Geschäftsführeramt bei der Muttergesellschaft inne hat.
  • Die Schutzwirkung" der Benennung einesreprésentant permanentfür die Haftung anderer Organträger ist allerdings nicht unbegrenzt: Kann man einem Vertreter der geschäftsführenden Gesellschaft im Einzelfall eineEinmischung in die Geschäftsführung der Tochternachweisen, kann er nach allgemeinen Regeln als faktischer Geschäftsführer der geführten Gesellschaft haften.

The content of this article is intended to provide a general guide to the subject matter. Specialist advice should be sought about your specific circumstances.

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