Key Take-aways
- Während das Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG) die angestrebten Ziele mehrheitlich erreicht hat, werden im Rahmen der geplanten ersten umfassenden Revision einige Anpassungen vorgeschlagen.
- Im Bereich der Derivateregulierung soll neu die Unterscheidung zwischen kleinen und grossen Gegenparteien jährlich vorgenommen werden und kleine nichtfinanzielle Gegenparteien sollen nicht mehr meldepflichtig sein.
- Das Orderbuch von Börsen soll Angaben zu den wirtschaftlich berechtigten Personen enthalten und der FINMA zur Verfügung gestellt werden; Die Transaktionsmeldungen sollen bei der FINMA zentralisiert und standardisierter werden.
1 Einleitung
Das Finanzmarktinfrastrukturgesetz vom 19. Juni 2015 (FinfraG) wird nun erstmals umfassend revidiert. Die vorgeschlagene Reform geht zurück auf die Empfehlungen des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) im Rahmen seines Evaluationsberichts zum FinfraG, welcher fünf Jahre nach dessen Inkrafttreten verfasst wurde. Das EFD kommt in seinem Bericht zum Schluss, dass sich das FinfraG mehrheitlich bewährt hat. Allerdings gibt es Bereiche, in denen Anpassungen vorgenommen werden müssen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes zu stärken. Dabei wird insbesondere der technologischen Entwicklung und der Weiterentwicklung der internationalen Standards und des Regulierungsrahmens im Ausland (bspw. im Rahmen des EMIR REFIT) Rechnung getragen. Das EFD hat in Zusammenarbeit mit der Finanzindustrie ein Reformpaket erarbeitet, welches am 19. Juni 2024 vom Bundesrat als Vernehmlassungsvorschlag zur Änderung des FinfraG (E-FinfraG) zusammen mit einem erläuternden Bericht (der Bericht zur Änderung des FinfraG) verabschiedet und veröffentlicht wurde. Die Vernehmlassung wird bis zum 11. Oktober 2024 laufen. Die wichtigsten Anpassungen beinhalten das Folgende:
2 Zahlungssysteme
Gegenwärtig definiert das FinfraG ein Zahlungssystem als ein System mit einheitlichen Regeln und Verfahren, welches Zahlungsverpflichtungen abrechnet und abwickelt. Unter dem geltenden FinfraG sind ausländische Zahlungssysteme nicht bewilligungspflichtig, allerdings können sie von der Schweizer Nationalbank überwacht werden, sofern sie systemisch bedeutsam sind. Schweizer Zahlungssysteme bedürfen aktuell nur dann einer Bewilligung der FINMA, wenn sie für die Funktionsfähigkeit des Finanzmarkts relevant sind oder der Schutz der Finanzmarktteilnehmerinnen und -teilnehmer es erfordert, ausser das Zahlungssystem wird durch eine Bank betrieben.
Kleine nichtfinanzielle Gegenparteien werden von der Meldepflicht für Derivatgeschäfte befreit.
Um künftig die Rechtssicherheit hinsichtlich der Frage zu erhöhen, wann ein Zahlungssystem bewilligungspflichtig ist, sieht das E-FinfraG vor, dass der Bundesrat Schwellenwerte basierend auf Transaktionsvolumen festlegen soll.
Für Zahlungssysteme, die von Banken betrieben werden, sieht das E-FinfraG folgende Unterscheidungen vor: (1) sofern es sich um ein systemrelevantes Zahlungssystem handelt, muss es in einer eigenständigen Rechtseinheit betrieben werden und diese muss über eine Bewilligung verfügen; (2) wenn das Zahlungssystem nicht systemrelevant ist, aber es bewilligungspflichtig wäre, wenn es in einer eigenständigen Rechtseinheit betrieben würde, d.h. wenn es die Schwellenwerte für die Bewilligungspflicht überschreitet, muss es die gleichen regulatorischen Anforderungen erfüllen wie ein bewilligungspflichtiges Zahlungssystem; und (3) alle anderen unterstehen wie bisher nur den regulatorischen Anforderungen für Banken.
Ausländische Zahlungssysteme können weiterhin, wie nach gegenwärtiger Rechtslage, ihre Dienstleistungen grenzüberschreitend in der Schweiz erbringen, ohne einer Bewilligungspflicht der FINMA zu unterstehen.
3 Regulierung von Finanzmarktinfrastrukturen
Die wichtigsten Änderungen sind die folgenden:
- Auflösungsplan: Es sollen nicht nur systemrelevante, sondern alle Finanzmarktinfrastrukturen, die bewilligungspflichtig sind, als Teil des Bewilligungsverfahrens einen Auflösungsplan vorbereiten.
- Kotierung von DLT-Effekten auf multilateralen Handelssystemen (MHS): Im Einklang mit den Regeln für Börsen sollen DLT-Effekten auf einem DLT-MHS nicht nur zum Handel zugelassen, sondern auch kotiert werden können.
- Zulassung und Ausschluss von Teilnehmern: Alle Finanzmarktinfrastrukturen sollen ihre Teilnahmebedingungen sowie ihre Kriterien und Modalitäten für die Suspendierung und den Ausschluss von Teilnehmern festlegen (z.B. beim Ausfall eines Teilnehmers).
- Systemrelevanz: Die Voraussetzungen für die Systemrelevanz von Finanzmarktinfrastrukturen werden so angepasst, dass auch Funktionsstörungen berücksichtigt werden können.
- Regeln für systemrelevante Finanzmarktinfrastrukturen: Die neuen Regeln werden zusätzliche Eigenmittelanforderungen auferlegt (Going- und Gone-Concern-Kapital). Darüber hinaus werden die Grundsätze der Stabilisierungsund Abwicklungsplanung konkretisiert. Zudem werden die Massnahmen, die der FINMA bei der Reorganisation einer systemrelevanten Finanzmarktinfrastruktur zur Verfügung stehen, präzisiert.
4 Handelsplätze
4.1 Trade Report, Transaktionsmeldungen und Journalführung
Während Schweizer Handelsplätze weiterhin dafür verantwortlich sind, ihre Teilnehmer zur Einreichung von Trade Reports zu verpflichten, um die Vorschriften der Nachhandelstransparenz einzuhalten, werden die Rahmenbedingungen für die Transaktionsmeldungen geändert. Teilnehmer von Schweizer Handelsplätzen und Wertpapierhäuser sollen gemäss E-FinfraG die Transaktionsmeldungen nach Art. 39 FinfraG und Art. 51 des Finanzinstitutsgesetzes vom 15. Juni 2018 nicht mehr an eine Meldestelle des Handelsplatzes, sondern an die FINMA übermitteln. Die FINMA wird bei Bedarf für die Handelsüberwachung die gesammelten Daten an die Handelsüberwachungsstellen der entsprechenden Handelsplätze weitergeben.
Für Transaktionsmeldungen an die FINMA sieht Art. 39 Abs. 2 E-FinfraG zudem ein einheitliches Meldeformat vor, um die Qualität und den Nutzen der Meldungen zu verbessern. 08/2024 Banking & Finance Der Bundesrat soll auf Verordnungsstufe die konkreten Informationspflichten, die Ausnahmen, die Form der Transaktionsmeldung und den Zeitpunkt der Meldungen regeln.
Die Journalführungspflicht gilt weiterhin für alle Teilnehmer eines Schweizer Handelsplatzes und alle Wertpapierhäuser.
4.2 Orderbuch
Gemäss den revidierten Regeln zum Orderbuch eines Schweizer Handelsplatzes wird eine Verpflichtung eingeführt, die wirtschaftlich berechtigten Personen zu identifizieren und die Information im Orderbuch zu erfassen (Orderbuch-Flagging). Diese Information soll bei der Aufdeckung von Marktmissbrauch hilfreich sein.
4.3 Ausländische Handelsplätze
Für ausländische Handelsplätze (Börsen, multilaterale Handelssysteme) soll die FINMA Anerkennungspflicht entfallen, sofern sie in einer Rechtsordnung reguliert sind, deren Aufsicht von der FINMA als angemessen erachtet wird. Dafür wird vorausgesetzt, dass die ausländischen Behörden Amtshilfe leisten.
4.4 Organisierte Handelssysteme
Für organisierte Handelssysteme (OHS) wird die aktuelle FINMA Praxis (vgl. das FINMA-Rundschreiben 2018/1) ins E-FinfraG übernommen. Es wird auch verlangt, dass der Betrieb eines OHS vorgängig an die FINMA zu melden ist. Zudem soll die FINMA ein öffentlich zugängliches Verzeichnis über sämtliche OHS führen.
5 Derivatehandel
5.1 Anpassung der Regeln für die Kategorisierung von kleinen und grossen Gegenparteien
Im Einklang mit den Regeln der European Market Infrastructure Regulation (EMIR) zur Bestimmung, ob eine nichtfinanzielle oder eine finanzielle Gegenpartei klein oder gross ist, wird gemäss E-FinfraG keine kontinuierliche Berechnung über die vergangenen 30 Arbeitstage mehr verlangt. Demgegenüber soll dies eine jährliche Berechnung unter Bezugnahme auf die Monatsendbeträge der letzten 12 Monate werden. Die anderen Parameter für die Unterscheidung von kleinen und grossen Gegenparteien sollen wie im aktuell geltenden FinfraG beibehalten werden.
5.2 Ersatzweise Erfüllung (Substituted Compliance)
Die Vorschriften über die ersatzweise Erfüllung werden in folgender Hinsicht vereinfacht:
- . Soweit eine ausländische Rechtsordnung anstelle des FinfraG auf Basis der ersatzweisen Erfüllung angewandt werden kann, soll auch der Gegenparteistatus nach den Regeln der ausländischen Rechtsordnung bestimmt werden können.
- . In dem Masse, in dem eine ausländische Rechtsordnung auf Grundlage der ersatzweisen Erfüllung angewendet wird, bestimmt die betreffende Rechtsordnung nicht nur die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften (d.h. "wie" die betreffenden Pflichten einzuhalten sind), sondern auch den Anwendungsbereich der Pflichten als solche (d.h. die Frage, "ob" die einschlägigen Pflichten überhaupt gelten). Die revidierten Regeln stellen zudem klar, dass Pflichten, die einseitig und ohne Mitwirkung der Gegenpartei zu erfüllen sind (z.B. Meldepflichten), nicht in den Anwendungsbereich der ersatzweisen Erfüllung fallen.
5.3 Meldepflicht
Gemäss den aktuellen Regeln des FinfraG ist eine Meldepflicht für kleine nichtfinanzielle Gegenparteien ab dem 1. Januar 2028 vorgesehen. Dies würde relevant werden bei Geschäften, die eine kleine nichtfinanzielle Gegenpartei mit Sitz in der Schweiz mit einer ausländischen Gegenpartei abschliesst. Diese zukünftige Meldepflicht für kleine nichtfinanzielle Gegenparteien soll nach den vorgeschlagenen neuen Regeln des E-FinfraG ersatzlos aufgehoben werden.
Mit Blick auf den Inhalt der Meldefelder schlägt das EFD weiter vor, den Inhalt der Meldungen an das Transaktionsregister an internationale Standards auf anzugleichen (z.B. in Bezug auf LEI, UTI und andere kritische Datenpunkte). Diese Anpassungen sind auf der Ebene der Verordnung zum FinfraG zu erwarten. Auf diese Weise soll die Qualität der gemeldeten Daten verbessert werden, was eine einfachere Bestimmung von Finanzstabilitätsrisken ermöglichen soll.
Zudem soll ausländischen Finanzaufsichtsbehörden der kostenlose Zugang zu den Daten gewährt werden, die diese für die Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen, wenn in einer Vereinbarung über die Zusammenarbeit zwischen der zuständigen schweizerischen und ausländischen Aufsichtsbehörde bestätigt worden ist, dass die ausländische Finanzaufsichtsbehörde einer gesetzlichen Geheimhaltungspflicht untersteht.
Der unterste Grenzwert für die Offenlegung von Beteiligungen, welche an einem Schweizer Handelsplatz kotiert sind, wird auf 5% angehoben.
5.4 Bewertungspflicht von Transaktionen
In Übereinstimmung mit der vorherrschenden Auslegung der aktuellen Vorschriften des FinfraG stellt das E-FinfraG klar, dass die Bewertungspflicht für grosse Gegenparteien auch bei Geschäften mit kleinen Gegenparteien gilt. In diesen Fällen ist die Bewertungspflicht der ausstehende Derivatgeschäfte einseitig von der grossen Gegenpartei zu erfüllen.
6 Offenlegung von Beteiligungen
Bei der Offenlegung von Beteiligungen wird der unterste meldepflichtige Grenzwert von 3% auf 5% der Stimmrechte angehoben. Dies gilt generell und auch bei öffentlichen Übernahmen.
Gemäss der neuen Regelung müssen Aktionäre mit Sitz oder Wohnsitz im Ausland, welche direkt, indirekt oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten über mindestens 10% der Stimmrechte einer Gesellschaft verfügen, im Rahmen der Offenlegung ein Zustellungsdomizil in der Schweiz bezeichnen. Falls kein Zustellungsdomizil mitgeteilt wird, kann die FINMA eine Mitteilung an solche Aktionäre im Bundesblatt publizieren.
7 Insiderlisten, Ad-hoc-Publizität und Veröffentlichung von Management-Transaktionen
Mit dem E-FinfraG werden Emittenten von Effekten, die an einem Schweizer Handelsplatz kotiert sind, sowie Personen, die in ihrem Auftrag handeln, neu gesetzlich ausdrücklich verpflichten, eine Liste von Personen (Insiderlisten) zu führen, die im Rahmen der vorgesehenen Einbindung Zugang zu Insiderinformationen (wesentliche nicht öffentliche Informationen) haben. Solche Listen müssen laufend aktualisiert werden und sie müssen während 15 Jahren aufbewahrt werden.
Das E-FinfraG wird auch die Verpflichtung zur Ad-hocPublizität und die Verpflichtung zur Veröffentlichung von Management-Transaktionen beinhalten. Diese waren zuvor Teil der Regulierung des jeweiligen Handelsplatzes.
8 STORs
Das E-FinfraG wird für alle regulierten Marktteilnehmenden, die einer FINMA Bewilligungs- oder Registrierungspflicht unterstehen und im Sinne von Art. 3 des Finanzmarktaufsichtsgesetz gewerbsmässig Geschäfte in Finanzinstrumenten vermitteln oder ausführen, eine Meldepflicht bei Verdacht auf Marktmissbrauch an die FINMA (Suspicious Transactions and Order Reports, STORs) einführen. Sie müssen über entsprechende Systeme und Prozesse zur Überwachung von Geschäften mit Finanzinstrumenten verfügen und so organisiert sein, dass sie Insiderhandel und Marktmissbrauch erkennen können. Sie müssen der FINMA Aufträge und Geschäfte melden, wenn sie den Verdacht haben, dass Insiderhandel oder Marktmissbrauch vorliegt oder vorliegen könnte.
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