To The Point: Datenschutzmonitor 27/2024

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VwGH 06.06.2024, Ra 2022/04/0008 (Ermittlungspflicht, Zurückverweisung) VwGH 06.06.2024, Ra 2023/04/0280 (voller Beweis, Zurückverweisung)...
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  • Rechtsprechung des VwGH

VwGH 06.06.2024, Ra 2022/04/0008 (Ermittlungspflicht, Zurückverweisung)

VwGH 06.06.2024, Ra 2023/04/0280 (voller Beweis, Zurückverweisung)

VwGH 06.06.2024, Ra 2023/04/0004; Ra 2023/04/0006 (Zurückziehung der Datenschutzbeschwerde im Verfahren vor dem VwGH nicht möglich)

  • Rechtsprechung des BVwG

BVwG 23.04.2024, W292 2248672-1 (automatisierte Entscheidungsfindung, Auskunft über Berechnung des Bonitätsscores)

BVwG 28.05.2024, W176 2249328-1 (Kundenbindung, Verantwortlichkeit, Geldbuße iHv EUR 8 Mio behoben)

BVwG 28.06.2023, W214 2245388-1 (ERsB)

BVwG 03.06.2024, W292 2282284-1 (Geldbuße, Fachärztin)

BVwG 06.06.2024, W108 2280859-1 (Medienprivileg, Redaktionsgeheimnis, juristische Personen)

BVwG 18.04.2024, W137 2248575-1 (Erleichterungsgebot, Geldbuße iHv EUR 9,5 Mio auf EUR 0,5 Mio herabgesetzt)

BVwG 13.05.2024, W101 2249293-1 (Datenschutzbehörde, Mitwirkungspflicht)

BVwG 06.05.2024, W108 2281246-1 (Einspruch, Geldbuße)

BVwG 11.07.2023, W214 2257639-1 (COVID, Gesundheitsdaten)

BVwG 12.06.2024, W211 2267466-2; W211 2280883-2 (Obsorge, Wiederaufnahme)

BVwG 06.06.2024, W287 2268623-1 (Zurückziehung)

  • Rechtsakte
  • Vorschau EuGH-Rechtsprechung

To the Point:

Rechtsprechung des VwGH

VwGH 06.06.2024, Ra 2022/04/0008

  • Die Teilnehmerin einer Gruppe zur Stressbewältigung erachtete sich in ihrem Recht auf Geheimhaltung verletzt, weil die Betreiberin der Gruppe Chatverläufe an den Ex-Freund der Teilnehmerin weitergeleitet haben soll. Die DSB gab der Datenschutzbeschwerde der Teilnehmerin statt. Der von der Betreiberin der Gruppe erhobenen Bescheidbeschwerde gab das BVwG insofern statt, als es den Bescheid behob und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung und Erlassung eines neuen Bescheids an die DSB zurückverwies. Aufgrund der dagegen erhobenen außerordentlichen Amtsrevision der DSB behob der VwGH den Zurückverweisungsbeschluss des BVwG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts.

    Der VwGH hat erwogen: Die nach § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit stellt eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Das BVwG wich insofern von der stRsp des VwGH ab, als die Voraussetzungen für eine Aufhebung und Zurückverweisung der Angelegenheit an die DSB mangels gravierender Ermittlungslücken nicht vorlagen. Eine Zurückverweisung ist regelmäßig nur dann zulässig, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, die zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts gesetzten Ermittlungsschritte völlig ungeeignet waren oder von der Verwaltungsbehörde bloß ansatzweise ermittelt wurde. Solche – einen Zurückweisungsbeschluss rechtfertigende – Mängel haften dem Ermittlungsverfahren nicht an. Das BVwG hätte die von ihm als notwendig angesehenen ergänzenden Ermittlungsschritte – etwa im Rahmen einer mündlichen Verhandlung – nachholen können.

    Die DSB hat den Ex-Freund der Teilnehmerin als Zeugen einvernommen. Auf Grundlage dieser Ermittlungsergebnisse hat die DSB – nach Einräumung des Parteiengehörs – Sachverhaltsfeststellungen getroffen und diese ihrer Entscheidung zugrunde gelegt. Zu beurteilen, ob die Beweiswürdigung der DSB im Zusammenhang mit der Weiterleitung der Chats ggf verfehlt war, gehört zu den zentralen Aufgaben des BVwG.

    Ebenso wenig kann die Frage, ob die Haushaltsausnahme nach Art 2 Abs 2 lit c DSGVO anzuwenden gewesen wäre, eine Zurückverweisung rechtfertigen. Diese Rechtsfrage hat das BVwG selbst zu beantworten.

Aus der weiteren Rechtsprechung des VwGH:

  • Die DSB hat von sich aus den vollständigen und wahren entscheidungsrelevanten Sachverhalt durch Aufnahme aller nötigen Beweise festzustellen. Wenn die DSB jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlässt, nur völlig ungeeignete Ermittlungsschritte setzt oder bloß ansatzweise ermittelt, darf das BVwG das Verfahren an die DSB zurückverweisen (VwGH 06.06.2024, Ra 2023/04/0280).
  • Die Zurückziehung einer Datenschutzbeschwerde nach Entscheidung durch das BVwG und somit nach Eintritt der Rechtskraft ist nicht mehr möglich (VwGH 06.06.2024, Ra 2023/04/0004; Ra 2023/04/0006).



Rechtsprechung des BVwG

BVwG 23.04.2024, W292 2248672-1

  • Eine Kreditauskunftei übermittelte Informationen zur Bonität eines Betroffenen in Form eines Scoring-Wertes an einen Energieversorger, wobei sie dem Betroffenen eine "mittlere" Bonität zuschrieb, obwohl keine sachlich begründenden Informationen hierfür vorlagen. Aufgrund dieses Bonitätsscores verweigerte der Energieversorger einen Vertragsabschluss mit dem Betroffenen. Daraufhin erhob der Betroffene eine Datenschutzbeschwerde bei der DSB und machte mehrere Verletzungen seiner Rechte durch die Kreditauskunftei geltend, insbesondere das Recht auf Auskunft, das Recht auf Datenrichtigkeit, das Prinzip der Verarbeitung nach Treu und Glauben und das Recht, keiner automatisierten Entscheidung unterworfen zu werden.

    Die DSB stellte fest, dass die Kreditauskunftei gegen die Grundsätze der Rechtsmäßigkeit und der Verarbeitung nach Treu und Glauben verstoßen hatte, weil die Berechnung ohne Vorhandensein von konkreten Zahlungserfahrungsdaten zur Person des Betroffenen durchgeführt wurde. Zudem sah die DSB einen Verstoß gegen den Grundsatz der Transparenz vorliegen, weil die Kreditauskunftei es unterlassen hatte, verständlich darzustellen, ob sie die personenbezogenen Daten auch zu anderen Zwecken als zur Ausübung des Gewerbes der Kreditauskunftei verarbeite. Der Betroffene wurde nach Ansicht der DSB auch in seinem Recht auf Geheimhaltung und Auskunft verletzt, weil seine personenbezogenen Daten unrechtmäßig verarbeitet wurden und die Kreditauskunftei ihm keine Auskunft gemäß Art 15 Abs 1 lit h DSGVO erteilt hatte. Die gegen diesen Bescheid erhobene Bescheidbeschwerde der Kreditauskunftei war zum Teil erfolgreich.

    Das BVwG hat erwogen: Die Kreditauskunftei hat bei der Berechnung des Bonitätsscores eine automatisierte Entscheidungsfindung iSd Art 22 DSGVO durchgeführt, weil sie einen auf personenbezogene Daten gestützten Wahrscheinlichkeitswert in Bezug auf die Fähigkeit der Betroffenen, künftige Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, automatisiert erstellt hat und der Energieversorger aufgrund dessen den Vertragsabschluss verweigert hat. Damit hat die automatisierte Entscheidungsfindung den Energieversorger maßgeblich geleitet und rechtliche Wirkung für den Betroffenen entfaltet bzw ihn in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigt.

    Es waren keine Ausnahmetatbestände iSd Art 22 Abs 2 DSGVO erfüllt. Auch den weitergehenden Informationspflichten nach Art 13 Abs 2 lit f und Art 14 Abs 2 lit g DSGVO ist die Kreditauskunftei nicht nachgekommen, weil sie dem Betroffenen keine Informationen über die involvierte Logik sowie Tragweite und die angestrebten Auswirkungen der Verarbeitung zur Verfügung gestellt hat. Es war aus den Bonitätsauszügen auch nicht ersichtlich, dass der darin enthaltene Bonitätsscore ohne Zahlungserfahrungsdaten berechnet wurde. Die Kreditauskunftei verstieß somit gegen die Grundsätze der Rechtsmäßigkeit und der Verarbeitung nach Treu und Glauben.

    Der Ausspruch der DSB, wonach die Kreditauskunftei gegen den Grundsatz der Transparenz verstoßen hat, war aufzuheben, weil dieser Verstoß von der Datenschutzbeschwerde nicht umfasst war und die Kreditauskunftei in ihrer zuvor ergangenen Stellungnahme klar angegeben hatte, zu welchen Zwecken sie die Daten verarbeitet. Auch eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung gemäß § 1 DSG wurde in der Datenschutzbeschwerde nicht geltend gemacht, weshalb auch der hierzu ergangene Spruchpunkt des Bescheides der DSB ersatzlos zu beheben war.

    Die Kreditauskunftei vertrat die Ansicht, dass sie keine automatisierte Entscheidungsfindung durchführe, weshalb kein Anspruch des Betroffenen auf Auskunft bestehe. Damit ist sie dem Auskunftsersuchen des Betroffenen bis zum Abschluss des Verfahrens nicht vollständig nachgekommen und hat ihn in seinem Recht auf Auskunft gemäß Art 15 DSGVO verletzt. Das Argument der Kreditauskunftei, dass die verlangten Informationen zum Bonitätsscore Geschäftsgeheimnisse sind, schließt den Auskunftsanspruch nicht absolut aus. Dennoch müssen Informationen über die Berechnung des Bonitätsscores zumindest grundlegend bereitgestellt werden, ohne dass hierbei Geschäftsgeheimnisse preisgegeben werden müssen.

BVwG 28.05.2024, W176 2249328-1

  • Eine Muttergesellschaft ist Alleingesellschafterin einer Tochtergesellschaft, die ein Kundenbindungsprogramm betreibt. In der Konzeptionsphase legte der Vorstand der Muttergesellschaft die Strategie für ein Multipartner-System fest, das die Tochtergesellschaft durch das Kundenbindungsprogramm ohne Involvierung der Muttergesellschaft umsetzte. In Folge eines amtswegigen Prüfverfahrens leitete die DSB ein Verwaltungsstrafverfahren gegen die beiden Gesellschaften als gemeinsame Verantwortliche ein. Die gemeinsame Verantwortlichkeit wurde damit begründet, dass die Muttergesellschaft die strategische Entscheidung traf, ein Multipartner-Kundenbindungsprogramm einzurichten, die Tochtergesellschaft zu gründen und diese finanziell und personell zu unterstützten. Den Gesellschaften wurde vorgeworfen, dass die Einwilligungsformulare für die Datenverarbeitung zu Zwecken des Profiling nicht den datenschutzrechtlichen Anforderungen an eine wirksame Einwilligung entsprechen würden und die Datenverarbeitung daher auf keinen Erlaubnistatbestand des Art 6 Abs 1 DSGVO gestützt werden könne. Der Muttergesellschaft wurde eine Geldbuße iHv EUR 8 Mio und ein Verfahrenskostenbeitrag von EUR 800.000 auferlegt. Das BVwG hat das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

    Das BVwG hat erwogen: Die gemeinsame Verantwortlichkeit erfordert ein kooperatives Zusammenwirken zweier Akteure. Ein solches ist nicht erkennbar, weil die Muttergesellschaft seit Abschluss der Konzeptionsphase nicht mehr in die maßgeblichen Vorgänge involviert war und sie keinen Einfluss auf konkrete Datenverarbeitungszwecke und -mittel nehmen konnte.

    Die Muttergesellschaft ist nicht Verantwortliche für die Datenverarbeitung, weil sich ihre Tätigkeit auf die strategische Festlegung eines Multipartner-Kundenbindungsprogramms und der Gründung der Tochtergesellschaft in der Konzeptionsphase beschränkte. Ab der Aufnahme des operativen Geschäftsbetriebs hat sie keine Leitungs- und Kontrolltätigkeiten in Bezug auf die Tochtergesellschaft vorgenommen oder veranlasst. Es fehlt eine gewollte und bewusste Zusammenarbeit der Beteiligten, die wesentlichen Entscheidungen über Zwecke und Mittel der Datenverarbeitung zu treffen, sodass keine gemeinsame Verantwortlichkeit vorliegt.

BVwG 28.06.2023, W214 2245388-1

  • Eine Bürgerin fühlte sich von dem Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort als Stammzahlenregisterbehörde (Stammzahlenregisterbehörde) in ihrem Recht auf Geheimhaltung und Löschung verletzt, weil personenbezogene Daten zu ihrer Person im Ergänzungsregister für sonstige Betroffene (ERsB) eingetragen wurden und ihrem Löschersuchen nicht nachgekommen wurde. Die Eintragung war ihrer Ansicht nach nicht notwendig, weil ihre Daten schon im Zentralen Melderegister (ZMR) erfasst waren und sie keine unternehmerische Tätigkeit ausübt. Die Datenschutzbeschwerde blieb erfolglos. Die gegen den Bescheid der DSB erhobene Bescheidbeschwerde der Bürgerin hatte Erfolg.

    Das BVwG hat erwogen: Die Stammzahlenregisterbehörde führt neben dem Ergänzungsregister für natürliche Personen (ERnP) auch das ERsB für alle anderen Betroffenen.

    Die Bürgerin wurde als Einzelunternehmerin ins ERsB eingetragen, weil die Stammzahlenbehörde von einem weiten Unternehmensbegriff ausgeht, der natürliche Personen, Personengesellschaften, Personengemeinschaften und Personenvereinigungen, die unternehmerisch tätig sind, umfasst.

    Die Bürgerin bezog zwar für eine Tätigkeit Funktionsgebühren, die gemäß § 29 Z 4 EStG als sonstige Einkunft zu den außerbetrieblichen Einkunftsarten aus nicht selbständiger Arbeit zählen. Eine unternehmerische Tätigkeit entfaltete sie jedoch nicht. Die Eintragung der Bürgerin ins ERsB erfolgte daher zu Unrecht.

BVwG 03.06.2024, W292 2282284-1

  • Die Ordinationsassistentin einer Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin versendete eine Terminerinnerung versehentlich mittels Gruppentextnachricht an 27 Patienten. Dadurch legte sie personenbezogene Daten, einschließlich Gesundheitsdaten der Patienten, für alle Empfänger offen. Die DSB verhängte eine Geldbuße iHv EUR 6.000 und einen Verfahrenskostenbeitrag von EUR 600. Das BVwG gab der Bescheidbeschwerde der Fachärztin teilweise statt und senkte die Geldbuße auf EUR 4.000 und den Verfahrenskostenbeitrag auf EUR 400 herab.

    Das BVwG hat erwogen: Die Telefonnummern der Patienten sind personenbezogene Daten iSd Art 4 Z 1 DSGVO. Die Information über die Inanspruchnahme des Dienstleistungsangebots der Fachärztin durch die Patienten ist als Gesundheitsdatum iSd Art 4 Z 15 DSGVO zu qualifizieren. Diese Daten lassen zumindest indirekt auf eine psychische Erkrankung der Empfänger schließen. Die Fachärztin hat die unbefugte Offenlegung der Daten nicht unverzüglich und innerhalb von 72 Stunden der DSB gemeldet (Art 33 Abs 1 DSGVO).

    Die Informationen aus der Gruppen-Textnachricht können zu physischen, materiellen oder immateriellen Schäden für die Patienten führen. Darüber hinaus erfordern Gesundheitsdaten ein besonderes Maß an Sorgfalt. Diese Informationen unterliegen einem besonderen Geheimhaltungsinteresse. Es ist die Pflicht der Fachärztin, ihre Mitarbeiter ausreichend zu schulen und für die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben zu sorgen. Die Fachärztin ergriff keine angemessenen technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Schutz der Vertraulichkeit. Weiters führte die Fachärztin auch kein Verzeichnis über ihre Verarbeitungstätigkeiten (Art 30 DSGVO).

    Nach Art 83 Abs 1 DSGVO müssen Aufsichtsbehörden sicherstellen, dass Geldbußen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind. Bei der Bemessung sind Art, Schwere und Dauer des Verstoßes, die Zahl der betroffenen Personen, das Ausmaß des Schadens und die Kategorie der betroffenen Daten zu berücksichtigen. Die Verknüpfung der offengelegten Telefonnummern mit namentlich identifizierbaren Personen ist mit einem gewissen Aufwand verbunden, was eine geringfügige Minderung der Schwere des Eingriffs und eine Reduktion der Geldbuße rechtfertigt. Für Terminerinnerungen per SMS muss eine ausdrückliche Einwilligung der Patienten gemäß Art 9 Abs 2 lit a DSGVO vorliegen. Die Fachärztin war sich dieser Vorgaben nicht bewusst und setzte keine sichere technische Lösung ein. Diese Handlungen und Unterlassungen sind als grob fahrlässiges Verhalten zu qualifizieren. Mildernd wirken die fahrlässige Begehung, die Unbescholtenheit, die Mitwirkung im Ermittlungsverfahren, die Anpassung der technischen Einstellungen und die nachträgliche Erstellung eines Verarbeitungsverzeichnisses.

BVwG 06.06.2024, W108 2280859-1

  • Nachdem das E-Mail-Postfach eines Arztes und des von ihm geführten Labors kompromittiert wurde, gelangte eine Excel-Liste mit tausenden PCR-Test-Ergebnissen und personenbezogenen Daten an zwei Medienunternehmen. Nachdem die Medienunternehmen über die geleakten Ergebnisse berichteten, beantragte das Labor die Löschung der E-Mail und nach Ablehnung durch die Medienunternehmen stellten der Arzt und das Labor einen Antrag auf Auskunft, dem die Medienunternehmen nicht vollständig nachkamen. Vor diesem Hintergrund brachten der Arzt und das Labor Datenschutzbeschwerden bei der DSB ein. Der Arzt behauptete eine Verletzung in seinem Recht auf Auskunft und das Labor in seinem Recht auf Löschung, Geheimhaltung und Auskunft. Die Medienunternehmen beriefen sich darauf, dass sie gemäß § 9 DSG dem Medienprivileg unterliegen würden und den Arzt und das Labor nicht in ihren Rechten verletzt hätten. Die DSB wies die Datenschutzbeschwerden zunächst mangels Zuständigkeit aufgrund der Anwendbarkeit des Medienprivilegs nach § 9 Abs 1 DSG zurück, woraufhin der Arzt und das Labor Bescheidbeschwerden an das BVwG richteten. Das BVwG leitete ein Normprüfungsverfahren beim VfGH ein, welches zur Aufhebung des § 9 Abs 1 DSG wegen Verfassungswidrigkeit führte. In weiterer Folge entschied die DSB, dass keine Verletzung des Rechts auf Löschung vorlag und stellte fest, dass die Medienunternehmen gewisse Informationen aufgrund des § 31 Abs 1 MedienG nicht zu beauskunften hatten, hinsichtlich anderer Informationen jedoch den Arzt und das Labor in ihren Rechten auf Auskunft verletzt haben. Daraufhin erhoben sowohl die Medienunternehmen als auch der Arzt und das Labor Bescheidbeschwerden an das BVwG. Das BVwG wies sämtliche Bescheidbeschwerden ab.

    Das BVwG hat erwogen: Der Begriff "personenbezogene Daten" ist weit zu verstehen. Auch wenn die Excel-Liste personenbezogene Daten Dritter enthielt, war die Medienberichterstattung mit dem Arzt und dem Labor verknüpft. Daher wurden auch personenbezogene Daten des Arztes und des Labors verarbeitet. Das Labor ist, entgegen der Annahme der Medienunternehmen, als juristische Person beschwerdelegitimiert, weil § 1 DSG widrigenfalls eine gleichheits- und damit verfassungswidrige Norm wäre.

    Das Interesse des Arztes und des Labors auf Auskunft überwog dem Geheimhaltungsinteresse der Medienunternehmen jedoch nicht, weil eine Berufung auf das Redaktionsgeheimnis auch außerhalb des § 31 Abs 1 MedienG möglich ist. Dies gilt vor allem mit Blick auf Art 10 EMRK, weil Informanten die Medien nicht unterstützen könnten, wenn kein Schutz journalistischer Quellen im Rahmen der Pressefreiheit garantiert wäre. Da den Medien in ihrer Rolle als "public watchdog" eine wichtige Kontroll- und Aufklärungsfunktion zukommt, muss ein dringendes Erfordernis des öffentlichen Interesses vorliegen, um in den Schutz journalistischer Quellen einzugreifen. Ein solches Interesse besteht hier nicht.

    Unter "Stammdaten", die von den Medienunternehmen zu beauskunften sind, fallen persönliche Angaben wie Namen, Adresse, Geburtsdatum, Sozialversicherungsnummer und Kontaktdaten, nicht jedoch das gesamte journalistische Recherchematerial. Das Redaktionsgeheimnis wird durch das Offenlegen dieser Daten nicht verletzt.

    Da dem Grundrecht auf Datenschutz unmittelbare Horizontal- bzw Drittwirkung zukommt, können auch Private verpflichtet sein. Das Untätigbleiben der Medienunternehmen mit der Begründung, dass juristischen Personen kein Auskunftsrecht zukommt, war rechtswidrig, weil die Betroffenenrechte gemäß Art 12 f DSGVO analog auf juristische Personen anzuwenden sind.

Aus der weiteren Rechtsprechung des BVwG:

  • Das Erleichterungsgebot gemäß Art 12 Abs 2 DSGVO ist eine Strafnorm. Ein Verstoß dagegen kann gemäß Art 83 Abs 5 lit b DSGVO mit einer Geldbuße geahndet werden. Der Verantwortliche hat jedoch nur leicht fahrlässig gehandelt, weshalb die Strafe von EUR 9,5 Mio auf EUR 500.000 herabzusetzen war (BVwG 18.04.2024, W137 2248575-1).
  • Die DSB ist berechtigt, die Herausgabe personenbezogener Daten eines Beschwerdeführers vom Verantwortlichen zu verlangen, wenn die angeforderten Daten für das Erheben des maßgeblichen Sachverhalts erforderlich sein können. Der Verantwortliche hat dem Auftrag der DSB auf Herausgabe der Daten im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht gemäß Art 31 DSGVO zu entsprechen (BVwG 13.05.2024, W101 2249293-1).
  • Wird in einem Einspruch gegen eine Strafverfügung nur die Herabsetzung der Strafe beantragt, tritt Teilrechtskraft hinsichtlich des Schuldspruchs ein (BVwG 06.05.2024, W108 2281246-1).
  • Krankheitsrisiken sind Gesundheitsdaten. Daher ist das Datum "Impfstatus" als Gesundheitsdatum iSd Art 9 Abs 1 DSGVO zu qualifizieren (BVwG 11.07.2023, W214 2257639-1).
  • Kommt dem Wiederaufnahmewerber mangels Obsorge keine Vertretungsbefugnis für seinen minderjährigen Sohn zu, fehlt ihm die Legitimation zur Erhebung eines Antrags auf Wiederaufnahme (BVwG 12.06.2024, W211 2267466-2; W211 2280883-2).
  • Die Zurückziehung der Datenschutzbeschwerde bewirkt den Wegfall der Zuständigkeit der DSB zur Erlassung des Bescheides und damit (nachträglich) dessen Rechtswidrigkeit. Das BVwG hat daher den bekämpften Bescheid (ersatzlos) zu beheben (BVwG 06.06.2024, W287 2268623-1).


Rechtsakte

  • Der EuGH hat mit Urteil vom 16.01.2024, C-33/22, Österreichische Datenschutzbehörde, die Zuständigkeit der DSB für Datenverarbeitungstätigkeiten der Gesetzgebungsorgane bejaht, weil keine andere Aufsichtsbehörde für die Überwachung der entsprechenden Datenverarbeitungstätigkeiten eingerichtet war.

    Der Gesetzgeber hat am 04.07.2024 mit einem Gesetzgebungspaket reagiert (BGBl I 2024/68; BGBl I 2024/70; BGBl I 2024/71). Es sind ua das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), das DSG, das Informationsordnungsgesetz, das Rechnungshofgesetz und das Volksanwaltschaftsgesetz novelliert worden.

    Mit dem Gesetzgebungspaket wird insb ein "Parlamentarisches Datenschutzkomitee" eingerichtet, das neben der DSB als nationale Aufsichtsbehörde fungieren wird. Das Parlamentarische Datenschutzkomitee wird für Datenschutzbeschwerden gegen den Nationalrat, den Bundesrat, den Rechnungshof, die Volksanwaltschaft sowie die obersten Organe des Nationalrats, des Bundesrats, des Rechnungshofs sowie der Volksanwaltschaft zuständig sein.

    Durch Landesverfassungsgesetz kann die Zuständigkeit des Parlamentarischen Datenschutzkomitees auf die Datenverarbeitungstätigkeiten der Landtage ausgeweitet werden.
  • Am 05.07.2024 wurde das Bundesgesetz zur Einrichtung einer nationalen Behörde für die Cybersicherheitszertifizierung (Cybersicherheitszertifizierungs-Gesetz, CSZG, BGBl I 2024/78), mit dem eine nationale Behörde für die Cybersicherheitszertifizierung eingerichtet wurde, kundgemacht.



Vorschau EuGH-Rechtsprechung

  • Am 11.07.2024 werden die Schlussanträge in der Rs C-394/23, Mousse, veröffentlicht. Gegenstand des Verfahrens ist, ob ein Websitebetreiber über seinen Warenkorb die "geschlechtsspezifischen Daten" "Herr" und "Frau" erheben darf.
  • Am 11.07.2024 wird das Urteil des EuGH in der Rs C-757/22, Meta Platforms Ireland, veröffentlicht. Geklärt werden weitere Voraussetzungen, unter welchen Verbraucherschutzverbände wegen der Verletzung von Informationspflichten klagen können.
  • Am 11.07.2024 wird das Urteil des EuGH in der Rs C-461/22, MK (Curateur professionnel), veröffentlicht. Geklärt wird, ob ein Rechtsanwalt, der als Erwachsenenvertreter (= Sachwalter) bestellt wird, ein Verantwortlicher iSd Art 4 Z 7 DSGVO ist und dem Vertretenen zur Auskunft gemäß Art 15 DSGVO verpflichtet ist. Anm: Dem angekündigten Urteil sind keine Schlussanträge vorangegangen.
  • Am 17.07.2024 wird das Urteil des EuG in der Rs T-1077/23, Bytedance/Kommission, veröffentlicht. Bytedance, das Mutterunternehmen von TikTok, hat beim EuG vorläufigen Rechtsschutz gegen ihre Benennung durch die Europäische Kommission als Torwächter (gatekeeper) iSd Verordnung (EU) 2022/1925 (Gesetz über digitale Märkte) beantragt.

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