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26 March 2019

Die (halbe) Rückkehr der Unschuld im Verwaltungsstrafrecht

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Preslmayr Rechtsanwälte OG

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Mit 1.1.2019 sind wesentliche Änderungen im Verwaltungsstrafrecht in Kraft getreten.
Austria Criminal Law
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Mit 1.1.2019 sind wesentliche Änderungen im Verwaltungsstrafrecht in Kraft getreten. Neben der Anpassung des Gesetzestextes an EU-Richtlinien über Beschuldigtenrechte und der Vereinfachung der Bestimmungen über die Befugnisse der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes wurde mit der Verwaltungsstrafgesetz-Novelle 2018 (BGBl. I 2018/57) das Prinzip Beraten statt Strafen" verankert und die Unschuldsvermutung gestärkt.

Nach der bisherigen Rechtslage war das Vorliegen von Fahrlässigkeit im Verwaltungsstrafrecht ohne weiteres" anzunehmen, wenn der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht zum Tatbestand der Verwaltungsübertretung gehört. Diese Schuldvermutung konnte vom Beschuldigten zwar widerlegt werden; das ist in der Praxis jedoch äußerst schwierig. Durch Einführung des neuen § 5 Abs 1a VStG wird die Schuldvermutung nun für Verwaltungsübertretungen beseitigt, die mit einer Geldstrafe von mehr als EUR 50.000,00 bedroht sind. Bei derartigen Delikten muss nach neuer Rechtslage also die Behörde ein Verschulden nachweisen – und nicht umgekehrt der Beschuldigte seine Unschuld.

Eng verknüpft mit dieser Neuregelung ist § 9 VStG, der die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen bzw. deren Vertreter im Hinblick auf die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften und die damit einhergehende Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems regelt. Die diesbezüglichen Anforderungen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sehr streng. Die Gesetzesmaterialien zu § 5 Abs 1a VStG fordern nun, dass – in Abkehr zu dieser Rechtsprechung – ein Verschulden nicht angenommen werden soll, wenn der Verantwortliche den Nachweis erbringt, dass er eine qualitätsgesicherte" Organisation eingerichtet und geführt hat, die durch externe Prüfung oder interne (automatisierte) Überwachung regelmäßig kontrolliert wird. Dies könne etwa durch einen geschulten verlässlichen Mitarbeiter, der mit Kontrollaufgaben betraut wird, sichergestellt werden. Geeignete Maßnahmen, die die Strafbarkeit des verantwortlichen Organs ausschließen können, stellen z.B. das VierAugen-Prinzip und regelmäßige Stichproben dar. Da der Wortlaut des § 9 VStG selbst aber nicht geändert wurde, bleibt abzuwarten, ob sich die Rechtsprechung künftig in diesem Sinne entwickeln wird.

Beraten statt Strafen" Außerdem wurde mit der VerwaltungsstrafgesetzNovelle 2018 das Prinzip Beraten statt Strafen" auch im Verwaltungsstrafverfahren eingeführt. In Anlehnung an § 371c GewO ordnet der neue § 33a VStG an, dass die Behörde den Beschuldigten mit dem Ziel einer möglichst wirksamen Beendigung des strafbaren Verhaltens" zunächst zu beraten und ihn schriftlich aufzufordern hat, innerhalb einer angemessenen Frist den den Verwaltungsvorschriften und behördlichen Verfügungen entsprechenden Zustand herzustellen. Entspricht der Beschuldigte der schriftlichen Aufforderung fristgerecht, ist die weitere Verfolgung wegen jener Übertretungen, bezüglich derer der rechtmäßige Zustand hergestellt worden ist, unzulässig und das Strafverfahren einzustellen. Anstatt der Einstellung kann aus spezialpräventiven Gründen auch eine bescheidmäßige Ermahnung des Beschuldigten erfolgen.

Voraussetzung für den Vorrang der Beratung ist, dass die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, die Intensität der Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Gemäß § 33a Abs 5 VStG ist der Grundsatz Beraten statt Strafen" nicht anwendbar auf

  • Übertretungen, die zur Strafbarkeit vorsätzliches Verhalten erfordern;
  • Übertretungen, die innerhalb der letzten drei Jahre bereits Gegenstand einer Beratung und schriftlichen Aufforderung durch die Behörde waren oder zu denen einschlägige, noch nicht getilgte Verwaltungsstrafen aufscheinen;
  • Übertretungen, die Anlass zu einstweiligen Zwangsund Sicherungsmaßnahmen geben;
  • Übertretungen, für die die Verwaltungsvorschriften die Maßnahme der Entziehung von Berechtigungen vorsehen.

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