Die Schweizer Steuerbehörden haben im internationalen Vergleich relativ früh ihre Praxis zur Behandlung von Kryptowährungen bzw. -token veröffentlicht und damit eine gewisse Vorreiterrolle eingenommen. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) und die Schweizerische Steuerkonferenz (SSK) haben nun im Dezember 2021 ihre zwischenzeitlich weiterentwickelte, aktuelle steuerliche Praxis im Rahmen einer Aktualisierung des vor zwei Jahren erstmals publizierten Arbeitspapiers bzw. neu herausgegebenen Steuerinformationen veröffentlicht.

Basierend auf der Wegleitung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) werden auch für steuerliche Zwecke drei Arten von Coins/Token unterschieden:

  • Zahlungs-Token,
  • Nutzungs-Token, und
  • Anlage-Token.

Nachfolgend werden die Besteuerungsgrundsätze der verschiedenen Token-Kategorien zwar aus Schweizer Steuersicht (d.h. für in der Schweiz ansässige Emittenten von solchen Token bzw. für in der Schweiz ansässige Investoren bzw. Eigentümer der Token) dargestellt. Die Ausführungen bzgl. Kategorisierung der Token gemäss FINMA und die Grundsätze der steuerlichen Behandlung der verschiedenen Arten von Token beinhalten aber ggf. auch für Leser in anderen Jurisdiktionen wertvolle Hinweise. Ferner sind namentlich mögliche Schweizer Verrechnungssteuer- (in Form einer Quellensteuer) und allenfalls auch Umsatzabgabeaspekte durch Nicht-Schweizer Investoren zu beachten.

  1. Kategorisierung und Besteuerungsgrundsätze

Zahlungs-Token können als digitales Zahlungsmittel verwendet werden und berechtigen zum Erwerb von Waren und Dienstleistungen. Nutzungs-Token geben einem Investor das Recht, eine bestimmte digitale Dienstleistung zu nutzen. Sie werden regelmässig im Rahmen einer kollektiven Mittelbeschaffung ausgegeben, ohne dass dabei (digitale) Beteiligungsrechte in der Form von Aktien, Partizipations- oder Genussscheinen begründet oder Obligationen oder Anteile an kollektiven Kapitalanlagen ausgegeben werden. Anlage-Token verkörpern geldwerte Rechte gegenüber dem Herausgeber, dem Emittenten. Die Kategorie der Anlage-Token wird sodann in drei weitere Unterkategorien unterteilt: i) Fremdkapital-Token, ii) Anlage-Token mit vertraglicher Grundlage und iii) Anlage-Token mit Beteiligungsrechten. Erstere werden im Rahmen einer Fremdfinanzierung ausgegeben. Ein Investor erhält als Gegenwert für seine Investition Fremdkapital-Token. Der Emittent ist zur Rückzahlung der Investition und gegebenenfalls zusätzlich zu Zinszahlungen verpflichtet. Anlage-Token mit vertraglicher Grundlage sehen keine Rückzahlungsverpflichtung vor. Der Investor ist vertraglich an einer bestimmten Grösse des Unternehmens berechtigt (bspw. EBIT), ohne gleichzeitig Anteilsinhaber zu sein. Der Anspruch des Investors auf eine jährliche Zahlung besteht unabhängig von einer Dividendenausschüttung und bedarf auch keines Generalversammlungsbeschlusses. Anlage-Token mit vertraglicher Grundlage gelten steuerlich als derivate Finanzinstrumente eigener Art (sui generis). Werden dem Investor durch Ausgabe von Token Aktien oder Beteiligungsrechte abgegeben, so handelt es sich um Anlage-Token mit Beteiligungsrechten. Die Klassifizierung der Token kann nicht immer trennscharf vorgenommen werden. Hybride Formen sind für steuerliche Zwecke jeweils im Einzelfall zu beurteilen.

  1. Steuerliche Behandlung auf Stufe von in der Schweiz ansässigen natürlichen Personen als Investoren

Die nachfolgenden Ausführungen sollen die steuerlichen Grundsätze bzgl. Besteuerung von in der Schweiz ansässigen natürlichen Personen, die Token kaufen, halten oder veräussern, darstellen.

Der Kauf sowie der Verkauf sämtlicher Token-Arten wird einkommenssteuerrechtlich grundsätzlich nicht erfasst. Beim Kauf liegt grundsätzlich eine steuerneutrale Vermögensumschichtung vor, während der Verkauf i.d.R. zu einem vollen steuerfreien Kapitalgewinn führt, d.h. Anlagekosten, Haltedauer etc. sind für in der Schweiz ansässige natürliche Personen als Investor grundsätzlich kein Thema. Vorbehalten bleibt eine abweichende steuerliche Behandlung im Einzelfall, u.a. aufgrund möglicher gewerbsmässiger Tätigkeit. Für die Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und selbständiger Erwerbstätigkeit (Gewerbsmässigkeit) wird auf die Kriterien gemäss etablierter Praxis (Kreisschreiben Nr. 36 der ESTV) zum gewerbsmässigen Wertschriftenhandel abgestellt. Sofern eine selbständige Erwerbstätigkeit vorliegt, wird im Umfang der Veräusserungsgewinne grundsätzlich steuerbares Erwerbseinkommen statt steuerfreier Kapitalgewinne erzielt, welches zudem den Sozialversicherungsabgaben unterliegt. Auch wenn die Praxis zur Gewerbsmässigkeit durch die Steuerbehörden erfahrungsgemäss mit einer gewissen Zurückhaltung angewandt wird, dürfte die Grenze zur Gewerbsmässigkeit im Falle eines Tradings unter Beizug von Algorithmen regelmässig überschritten sein.

Die neuen Publikationen enthalten erstmals detailliertere Ausführungen zum digitalen Schürfen neuer Zahlungs-Token (sog. Mining) und dem Verdienen von neuen Zahlungs-Token aus dem Netzwerk für das Zurverfügungstellen von Coins und die Bereitstellung und den Betrieb der nötigen Infrastruktur (sog. Staking) durch Validatoren. Letztere bestätigen bei Blockchains, welche mittels Proof-of-Stake-Algorithmen funktionieren (z.B. Ethereum 2), die Richtigkeit der Transaktionen. Beim Mining ist demgemäss i.d.R. eine Gewerbsmässigkeit gegeben, wenn eine zielgerichtete Strategie vorliegt und bedeutende Investitionen getätigt werden zur Erzielung von nachhaltigem Gewinn. Beim Staking ist bei der Beurteilung, ob eine Gewerbsmässigkeit vorliegt, genauer zu prüfen, mit welchem Arbeits- /Kapitaleinsatz die Tätigkeit erbracht wird.

Schliesslich wird in den Publikationen der ESTV und der SSK hinsichtlich sämtlicher Token-Kategorien auf die steuerliche Behandlung der Ausgabe von Token im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses hingewiesen: Die unentgeltliche oder unterpreisliche Abgabe von Token in Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis ist von der Grundnorm betreffend Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit erfasst und der resultierende geldwerte Vorteil grundsätzlich im Zeitpunkt des Zuflusses als Erwerbseinkommen des betreffenden Mitarbeiters steuerbar. Als steuerbarer Lohn unterliegt der Zufluss auch den Sozialversicherungsabgaben (mit Arbeitgeber-und Arbeitnehmeranteil) und muss durch die arbeitgebende Gesellschaft auf dem Lohnausweis bescheinigt werden.

Während bei Zahlungs- bzw. Nutzungstoken während der Haltedauer grundsätzlich keine Zahlungen an die Investoren vorgesehen sind, können die Halter von Fremdkapital-Token oder Anlage-Token mit vertraglicher Grundlage bzw. mit Beteiligungsrechten über die Haltedauer grundsätzlich einkommenssteuerlich relevante Zuflüsse realisieren. Bei Fremdkapitaltoken stellen vom Emittenten in periodischer Form oder als Einmalentschädigung ausgerichtete Zinsen grundsätzlich steuerbares Einkommen dar. Bei Anlage-Token können den Investoren grundsätzlich steuerbare Zahlungen auf vertraglicher Basis bzw. steuerbare Dividenden zufliessen.

Für Zwecke der jährlichen Vermögenssteuer (je nach Kanton bzw. Wohnsitz zwischen ca. 0.1- 1.03 % auf dem steuerbaren Vermögen) gelten sämtliche Token-Arten als bewegliches Kapitalvermögen und sind als solches zu versteuern. Hinsichtlich der Bewertung von Kryptowährungen für die Vermögenssteuer stellen sich immer wieder Fragen. Massgebend ist der Verkehrswert per 31. Dezember. Die ESTV stellt für die Kryptowährungen mit der grössten Marktkapitalisierung offizielle Steuerwerte zur Verfügung. Für alle übrigen gilt, den Jahresendkurs der verwendeten virtuellen Handelsplattform zu verwenden oder – falls nicht vorhanden – zu Gestehungskosten zu deklarieren. Diese Werte sind entsprechend nachzuweisen.

Soweit steuerbare Urkunden veräussert werden und eine Partei als Schweizer Effektenhändler qualifiziert oder ein Schweizer Effektenhändler als Vermittler in die Transaktion involviert ist, fällt eine Umsatzabgabe von 0.15% (bei Schweizer steuerbaren Urkunden) an. Die Umsatzabgabe ist ein Thema bei Fremdkapital-Token und Anlage-Token mit Beteiligungsrechten. Soweit ein Schweizer Effektenhändler als Vermittler involviert ist, kann die Umsatzabgabe ggf. auch ein Thema für nicht in der Schweiz ansässige Investoren werden, wenn der Vermittler die entsprechenden Kosten bzw. die Abgabe vertraglich auf den Käufer bzw. Verkäufer überwälzt.

  1. Steuerliche Behandlung auf Stufe möglicher in der Schweiz ansässigen Emittenten

Zahlungs-Token in Form von reinen digitalen Zahlungsmitteln werden i.d.R. nicht im Gegenzug zu investierten Mitteln emittiert. Sie sind weder Steuerobjekt der Verrechnungssteuer noch Gegenstand der 1% Emissionsabgabe, welche das Schweizer Stimmvolk gemäss Volksabstimmung im Februar dieses Jahres nicht abschaffen wollte. Zu den prominentesten Zahlungs-Token gehören Bitcoin, Ethereum, Cardano und Ripple.

Nutzungs-Token qualifizieren in der Regel als Auftragsverhältnis zwischen Emittenten und Investor. Der Auftrag besteht darin, dass der Emittent i.S. der vertraglichen Vereinbarung zwischen ihm und den Investoren tätig werden muss. Gewinnsteuerrechtlich sind die zugeflossenen Mittel im Rahmen der Ausgabe von Nutzungs-Token beim Emittenten grundsätzlich zu erfassen und als steuerbaren Gewinn auszuweisen (Erfassung als Ertrag in der Erfolgsrechnung). Um eine Vorab-Besteuerung des Ertrags und damit verbundene hohe Steuerausgaben bei der Mittelbeschaffung zu vermeiden, kann i.d.R. – und in Absprache mit der zuständigen Steuerverwaltung (Ruling) – eine Neutralisierung des Ertrags durch Verbuchung einer Rückstellung ("Rückstellungslösung") erfolgen. Eine jährliche Gewinnbesteuerung greift in diesem Fall im Umfang der jährlichen Entwicklungskosten plus einem Gewinnzuschlag. Verrechnungssteuer- und Emissionsabgabekonsequenzen fallen grundsätzlich nicht an. Mögliche Emissionsabgabefolgen wären höchstens zu prüfen, wenn die Gesellschafter oder Genossenschafter im Rahmen einer kollektiven Mittelbeschaffung Zuschüsse leisten.

Die steuerlichen Implikationen bei Anlage-Token gestalten sich etwas komplexer. Fremdkapital-Token qualifizieren steuerlich als Forderungspapiere (Obligationen). Zinsen in periodischer Form oder als Einmalentschädigungen, welche vom Emittenten ausgerichtet werden, unterliegen beim Emittenten grundsätzlich einer 35% Verrechnungssteuer bei Auszahlung, welche zu überwälzen ist und durch die Eigentümer der Token gestützt auf nationales Recht oder, im grenzüberschreitenden Verhältnis, ein Doppelbesteuerungsabkommen u.U. (zumindest teilweise) zurückgefordert und ggf. gegen die Steuer im Ansässigkeitsstaat angerechnet werden kann (sofern die weiteren Voraussetzungen hierfür erfüllt sind). Mit der geplanten Reform (über welche in der Schweiz allerdings noch abgestimmt wird) könnte die Verrechnungssteuer auf diesen Zinszahlungen ggf. in kommenden Jahren wegfallen. Der Emittent kann die Zinszahlungen als geschäftsmässig begründeten Aufwand gewinnsteuerlich abziehen. Die für die Ausgabe der Fremdkapital-Token entgegengenommenen Mittel sind beim Emittenten in den Büchern als Fremdkapital auszuweisen. Die Ausgabe von Fremdkapital-Token unterliegt nicht der Emissionsabgabe.

Die steuerliche Beurteilung von Anlage-Token mit vertraglicher Grundlage verhält sich ähnlich wie bei Nutzungs-Token. Für den Emittenten qualifizieren die zugeflossenen Mittel als steuerbaren Gewinn (ggf. ebenfalls mit einer (temporären) Neutralisierung des Ertrags über die "Rückstellungslösung" und laufenden Gewinnbesteuerung im Umfang der jährlichen Kosten plus einem Gewinnzuschlag). Die an den Investor ausbezahlten Erträge unterliegen grundsätzlich nicht der Schweizer Verrechnungssteuer. Sind hingegen gewisse Schwellenwerte (i. die Aktionäre und ihnen Nahestehende dürfen nur maximal 50% der ausgegebenen Anlage-Token mit vertraglicher Grundlage halten und ii. die Zahlungen an die Token-Halter dürfen 50% des EBIT nicht übersteigen) überschritten, behält sich die ESTV vor, dennoch die Verrechnungssteuer zu erheben. Eine Emissionsabgabe ist bei Ausgabe grundsätzlich nicht geschuldet (mit dem gleichen Vorbehalt wie bei den Nutzungs-Token).

Anlage-Token mit Beteiligungsrechten stellen ähnlich wie Aktien oder Partizipationsscheine eine Form von Beteiligungsrechten dar, d.h. die Ansprüche des Investors sind statutarisch geregelt. Dividendenausschüttungen durch den Emittenten unterliegen bei diesem bei Auszahlung grundsätzlich der 35% Verrechnungssteuer, welche zu überwälzen ist und durch die Begünstigten gestützt auf nationales Recht oder, im grenzüberschreitenden Verhältnis, ein Doppelbesteuerungsabkommen bei Erfüllen der relevanten Voraussetzungen ggf. (zumindest teilweise) zurückgefordert oder gegen die Steuer im Ansässigkeitsland angerechnet werden kann. Beim Emittenten entsteht im Rahmen der Ausgabe der Token kein steuerbarer Gewinn, soweit es sich um Kapitaleinlagen, Aufgelder oder Leistungen à-fonds-perdu handelt. Die Ausgabe der Token unterliegt jedoch der 1% Emissionsabgabe.

  1. Fazit

Bei zwei der erwähnten Token-Kategorien kann Schweizer Verrechnungssteuer auf den Zahlungen erhoben werden. Interessierte Investoren ausserhalb der Schweiz sollten vorab zu einem möglichen Investment in diese Token ihre Rückerstattungs- bzw. ggf. Anrechnungsmöglichkeiten gestützt auf ein allfällig anwendbares Doppelbesteuerungsabkommen prüfen. Bei den meisten bzw. gängigsten Token-Kategorien fällt allerdings keine Verrechnungssteuer auf Zahlungen an die Token-Halter an.

Angesichts der rasanten Entwicklung im Bereich von Kryptowährungen werden die vorstehend dargestellten Publikationen der ESTV und der SSK weiterhin regelmässig angepasst werden. Mangels spezifischer gesetzlicher Kodifizierung bleibt der Beurteilungsspielraum der Steuerbehörden gross, wobei die steuerliche Qualifikation nicht in jedem Fall – z.B. bei hybriden Token – einfach ist. Es lohnt sich, vorab das Gespräch mit den Steuerbehörden zu suchen und ggf. einen steuerlichen Vorbescheid einzuholen.

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