Das Bundesgericht hat sich in einem neueren Entscheid zu Einzelfragen im Zusam-menhang mit der fristlosen Kündigung eines Alleinvertriebsvertrages aus wichtigen Gründen geäussert.

In einem Entscheid vom 31. August 2018 (4A_241/2017) hat sich das Bundesgericht zu Fragen im Zusammenhang mit der ausserordentlichen Beendi-gung eines Alleinvertriebsvertrages aus wichtigen Gründen durch den Alleinvertreter geäussert und dabei seine bisherige Rechtsprechung bestätigt und präzi-siert.

Im vorliegenden Fall hatte eine schweizerische Gesell-schaft als Alleinvertreterin mit einem belgischen Liefe-ranten für den Vertrieb von bestimmten Markenproduk-ten in der Schweiz für unterschiedliche Arten von Kun-den einerseits einen Agenturvertrag (nach belgischem Recht mit Gerichtsstand in Belgien) und andererseits einen Alleinvertriebsvertrag nach schweizerischem Recht mit Gerichtsstand in Genf abgeschlossen. Der Agenturvertrag wurde im Dezember 2011 von der belgischen Lieferantin vertragsgemäss auf Ende Juni 2012 gekündigt, während der Alleinvertriebsvertrag zunächst weitergeführt wurde, bis er Ende Januar 2013 von der schweizerischen Alleinvertreterin aus wichtigen Gründen mit sofortiger Wirkung gekündigt wurde. Die Alleinvertreterin begründete die Kündigung mit diversen Verletzungen des Alleinvertriebsvertrages durch die belgische Lieferantin, unter anderem auch mit der Verletzung der vertraglich vereinbarten Exklusivität der Alleinvertreterin.

Im darauffolgenden kantonalen Gerichtsverfahren wurde im Ergebnis festgehalten, dass die schweizeri-sche Alleinvertreterin berechtigt gewesen war, den Vertrag aus wichtigen Gründen zu kündigen, und die belgische Lieferantin zur Bezahlung von rund CHF 94'000 entgangenen Gewinn für die bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zu erzielende Marge verurteilt. Dagegen erhob die Lieferantin Beschwerde an das Bundesgericht.

Das Bundesgericht nahm dabei die Gelegenheit wahr, einige Fragen im Zusammenhang mit der ausseror-dentlichen Beendigung von Alleinvertriebsverträgen zu bestätigen und zu präzisieren. Angesichts der Tatsa-che, dass es sich beim Alleinvertriebsvertrag um einen, gesetzlich nicht geregelten Vertrag sui generis handelt, und generell Rechtsprechung zu Alleinvertriebsverträ-gen selten ist, enthält der Entscheid diverse interessan-te Feststellungen.

Zunächst ruft das Bundesgericht einige der im Zusam-menhang mit einer ausserordentlichen Vertragskündi-gung anwendbaren Rechtsgrundsätze in Erinnerung: Dauerverträge können vorzeitig gekündigt werden, wenn wichtige Gründe die Weiterführung des Vertrages unzumutbar machen. Wie vom Bundesgericht bereits mehrfach entschieden, gilt dieser Grundsatz insbeson-dere auch für Alleinvertriebsverträge. Ein wichtiger Grund liegt dabei vor, wenn von der kündigenden Par-tei vernünftigerweise nicht verlangt werden kann, die Vertragsbeziehung bis zum Ablauf der vereinbarten Dauer bzw. bis zum nächsten Kündigungstermin wei-terzuführen. Liegt der wichtige Grund in einer Vertrags-verletzung können nicht nur besonders schwere Ver-tragsverletzungen einen wichtigen Grund darstellen, sondern auch weniger schwerwiegende, wenn sich diese trotz Abmahnungen wiederholen oder wenn sich weitere Abmahnungen als nutzlos erweisen würden. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung muss die Partei, welche einen Vertrag aus wichtigen Gründen kündigen will, nach Kenntnisnahme des wichtigen Grundes ohne Verzug handeln. Diesbezüglich hatte das Bundesgericht bereits in einem früheren Entscheid festgehalten, dass bei einem Alleinvertriebsvertrag - im Gegensatz zum Arbeitsvertrag, bei welchem eine frist-lose Kündigung sofort erfolgen muss - angesichts der im Vergleich zu einem Arbeitsvertrag weniger engen Beziehungen zwischen den Parteien eine zehntägige Frist zwischen Kenntnisnahme und fristloser Kündigung nicht als übermässig zu betrachten ist.

Im konkreten Fall hatte das Bundesgericht zu prüfen, ob die Alleinvertreterin wichtige Gründe hatte, um den Vertrag fristlos zu kündigen, und ob sie rechtzeitig gehandelt hatte. Nachdem die Vorinstanz das Vorlie-gen wichtiger Gründe aufgrund der Gesamtheit der Umstände bzw. einer Häufung von Vertragsverletzun-gen bejaht hatte, stellte das Bundesgericht fest, dass die Alleinvertreterin bereits allein aufgrund der Verlet-zung ihres Exklusivitätsrechts berechtigt war, den Vertrag fristlos zu kündigen.

Eine Verletzung des Exklusivitätsrechts der Alleinver-treterin wurde dabei einerseits darin erblickt, dass die Lieferantin eine von einer schweizerischen Kundin im Jahre 2010 anlässlich einer Messe in Köln im Septem-ber getätigte Bestellung ausgeliefert und diese in den Jahre 2011 und 2012 nochmals dreimal direkt beliefert hatte, obwohl die Alleinvertreterin nach entsprechender Information dagegen Einwendungen erhoben hatte. Dagegen half auch nichts, dass die Lieferantin geltend machte, es handle sich dabei um passive Verkäufe, welche gemäss Art. 5 Abs. 4 des Kartellgesetzes nicht untersagt werden dürfen. Aus kartellrechtlicher Sicht gelten nämlich Abreden in Vertriebsverträgen über die Zuweisung von Gebieten als rechtswidrig und nichtig, soweit passive Verkäufe durch gebietsfremde Ver-triebspartner ausgeschlossen werden. Weil die Liefe-rantin, die der Alleinvertreterin selbst das Exklusivrecht für das Gebiet der Schweiz gewährt hatte, nicht unter den Begriff des «gebietsfremden Vertriebspartners» fallen kann, war diese Bestimmung jedoch nicht an-wendbar.

Andererseits stellte ebenfalls eine Verletzung des Exklusivitätsrechts dar, dass die Lieferantin Mitte Janu-ar 2013 die Alleinvertreterin darüber informierte, dass sie einer potentiellen Kundin aus der Schweiz sinnge-mäss mitgeteilt hatte, dass lediglich Bestellungen unter CHF 1'000.- über die schweizerische Alleinvertreterin zu erfolgen hätten, obwohl der Alleinvertriebsvertrag keine derartige betragsmässige Beschränkung enthielt. Weil aus der entsprechenden E-Mail klar hervorging, dass die Lieferantin dem Exklusivitätsrecht – entgegen dem Alleinvertriebsvertrag – nur noch einen sehr ein-geschränkten Anwendungsbereich zuschrieb, spielte es dabei auch keine Rolle, dass es noch nicht zu einer eigentlichen Verletzung des Vertriebsvertrags gekom-men war. Aufgrund des früheren Verhaltens der Liefe-rantin erübrigte sich zudem eine weitere Abmahnung seitens der Alleinvertreterin.

Nachdem das Bundesgericht das Vorliegen eines wichtigen Grundes bejaht hatte, stellte es zudem fest, dass die von der Alleinvertreterin zwischen Kenntnis-nahme und Kündigung in Anspruch genommene Be-denkzeit von fünfzehn Tagen nicht als übermässig anzusehen war.

Betreffend die Höhe der von der Alleinvertreterin auf-grund der fristlosen Kündigung geltend gemachten Entschädigung folgte das Bundesgericht der Berech-nungsmethode der Vorinstanz. Diese hatte auf der Basis des Durchschnitts der letzten drei Jahre eine Marge für die Dauer der sechsmonatigen Kündigungs-frist berechnet und diese der Alleinvertreterin als Scha-denersatz zugesprochen.

Aus den genannten Gründen wurde die Beschwerde des Lieferanten abgewiesen und die vom Alleinvertre-ter geltend gemachte Forderung aus entgangenem Gewinn geschützt.

KOMMENTAR

Das vorliegende Bundesgerichtsurteil bringt einige willkommene Präzisierungen im Zusammenhang mit der fristlosen Kündigung von Alleinvertriebsverträgen. Zunächst bestätigt es, dass auch ein Alleinvertriebsvertrag fristlos gekündigt werden kann, wenn wichtige Gründe vorliegen, und hält soweit ersichtlich erstmals fest, dass die Verletzung des dem Alleinvertreter eingeräumten Exklusivitätsrechts für sich alleine einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen kann. Ferner hält der Entscheid fest, dass die Obliegenheit zur sofortigen Kündigung auch noch 15 Tage nach Kenntnisnahme des Kündigungsgrundes erfüllt sein kann. Und schliesslich bestätigt das Urteil, dass bei der Berechnung des Schadenersatzes für entgangenen Gewinn auf die Marge und nicht etwa auf den Umsatz abzustellen ist.

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