In einem neuen Urteil hat das Bundesgericht einen Vermögensverwalter zu einer hohen Schadenersatzzahlung an einen Kunden verurteilt, obschon dieser die offensichtlich unkonventionelle Anlagestrategie des Vermögensverwalters zuvor über 17 Jahre lang mitgetragen hatte. Das Urteil erhöht die Haftungsrisiken für Vermögensverwalter, die ihren Kunden individuelle Anlagestrategien anbieten. Es unterstreicht zudem einmal mehr die Bedeutung des Vertragstexts und der Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit Haftungsklagen von Vermögensverwaltungskunden.

Ausgangslage

Dem Urteil (Urteil des Bundesgerichts 4A_436/2016 vom 7. Februar 2017) lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kunde hatte einen Teil seines Vermögens in eine Offshore Struktur ausgelagert. Von Ende 1993 bis Ende 2011 liess er dieses Anlagevermögen von einem unabhängigen Vermögensverwalter verwalten. Dieser klärte das Risikoprofil des Kunden ordnungsgemäss ab und erstattete dem Kunden regelmässig Bericht über die verfolgte Anlagestrategie. Diese Strategie war nach herkömmlichen Massstäben unkonventionell, weil sie über die ganze Zeit schwergewichtig, und ab 2009 praktisch vollständig auf Beteiligungspapiere (Aktien und Immobilienfonds) beschränkt war, bei denen es sich ausschliesslich um Nebenwerte in einigen speziellen Segmenten (Minen, Schwellenländer, Technologieaktien) handelte. Praktisch konstant wurde zudem ein Lombardkredit (insbesondere zur Auslagerung des Währungsrisikos an die Bank) eingesetzt. Der Kunde war ein in Finanzfragen «interessierter Laie», der in regelmässigem Kontakt mit dem Vermögensverwalter stand und ihm teilweise auch konkrete Einzelweisungen erteilte. Während der Finanzkrise hinterfragte der Kunde die verfolgte Strategie teilweise, beanstandete diese aber nie als vertragswidrig.

Bedeutung des Vertragswortlauts

Im späteren Haftungsprozess begründete der Kunde seine Schadenersatzforderung mit dem Argument, die Parteien hätten vertraglich eine ausgewogene Anlagestrategie (mit konservativer Ausrichtung) vereinbart. Durch die effektiv verfolgte, unkonventionelle Anlagestrategie habe der Vermögensverwalter seine Sorgfaltspflicht verletzt. Das Bundesgericht schützte diese Sichtweise gestützt auf eine objektivierte Auslegung des Vertragswortlauts weitgehend. Dies ist deshalb bemerkenswert, weil der Vertragswortlaut teilweise sehr weit gefasst war, dem Vermögensverwalter ein grosses Ermessen einräumte und ihm ausdrücklich den Einsatz spekulativer Finanzinstrumente sowie die Inanspruchnahme eines Lombardkredits erlaubte. Zudem war die strategische Asset Allocation in Bandbreiten festgelegt und vom Kunden separat visiert worden. Ausschlaggebend war für das Gericht aber, dass im Vertrag als Anlageziel die «Substanzerhaltung und Erzielung von Kapitalgewinnen unter einer langfristigen (5 Jahre) Optik» vereinbart worden war. Allein aus dieser Formulierung leitete das Gericht ab, die Parteien hätten eine «ausgewogene Strategie» im Sinne einer der von vielen Banken angebotenen Standard-Anlagestrategien vereinbart.

Konkret hielt das Bundesgericht fest, in der Praxis würden von Banken fünf Standard-Anlagestrategien angeboten. Es umschrieb diese fünf Standard- Strategien – relativ rudimentär – wie folgt:

Der Entscheid bestätigt einmal mehr, dass dem Vertragswortlaut bei Vermögensverwaltungsverträgen entscheidende Bedeutung zukommt. Es empfiehlt sich deshalb, die zu verfolgende Anlagestrategie im Vertragswortlaut möglichst klar abzubilden. Werden – wie im vorliegend beurteilten Fall – zu offene Formulierungen verwendet oder wird überhaupt kein schriftlicher Vertrag geschlossen, muss ein Vermögensverwalter damit rechnen, dass die Gerichte im Streitfall von der Vereinbarung einer der vorgenannten fünf Standard-Strategien ausgehen. Dies kann dazu führen, dass die effektiv umgesetzte Strategie am Inhalt einer Standard-Strategie gemessen und jede Abweichung davon als Sorgfaltspflichtverletzung qualifiziert wird. Angesichts des neusten Urteils besteht diese Gefahr selbst dann, wenn die umgesetzte Strategie fundamental anders aussah und der Kunde dies jahrelang nie beanstandete.

Auch wenn tatsächlich eine Standard-Strategie vereinbart wird, empfiehlt es sich im Übrigen, deren Inhalt im Vertrag klar festzuhalten, indem namentlich die Anlagerichtlinien klar definiert werden. Wie das besprochene Bundesgerichtsurteil zeigt, besteht sonst im Streitfall nämlich die Gefahr, dass als massgeblicher Vertragsinhalt nicht das gilt, was die Parteien (vermeintlich) vereinbart und vielleicht jahrelang auch so gelebt haben, sondern ein anhand juristischer Lehrbücher ermitteltes Allgemeinverständnis des Vertragswortlauts.

Hohe Anforderungen an die Aufklärung des Kunden

Die Rechtsprechung hat die Anforderungen an die Aufklärung des Kunden in den letzten Jahren in mehreren Urteilen konkretisiert. Grundsätzlich gilt, dass Erklärungen (Vereinbarung, Weisung, Einwilligung oder Genehmigung) des Kunden zur Anlagestrategie nur dann rechtsverbindlich sind, wenn er hinsichtlich der involvierten Risiken vorgängig aufgeklärt wurde. Die Aufklärungspflicht bezweckt, bestehende Wissensdefizite des Kunden auszugleichen und diesem informierte Entscheidungen zu ermöglichen. In der Vergangenheit wurden deshalb gerade bei geschäftserfahrenen Kunden häufig keine besonders hohen Anforderungen an die Erfüllung der Aufklärungspflicht gestellt. Im vorliegenden Urteil hat das Bundesgericht nun klargestellt, dass diese Relativierung Grenzen hat und auch ein «interessierter Laie» grundsätzlich über sämtliche Risiken aufzuklären ist. Deshalb macht etwa die allgemeine Kenntnis, dass Investitionen in Schwellenländern mit höherem Risiko behaftet sind als solche in der Schweiz, oder dass Klumpenrisiken zu vermeiden sind, die Information über mit derartigen Risiken verbundene konkrete Anlagen bei einem solchen Kunden nicht entbehrlich.

Im konkreten Fall wurde dem Vermögensverwalter zum Verhängnis, dass er den Nachweis der erfolgten Aufklärung nicht erbringen konnte. Dies ist deshalb bemerkenswert, weil die Beweislast für die unterbliebene Aufklärung nach dem Gesetz eigentlich beim geschädigten Kunden liegt. Unter dem Titel sogenannter Beweiserleichterungen findet in diesem Punkt in der Praxis indes häufig eine faktische Umkehr der Beweislast statt. Vermögensverwalter sind deshalb gut beraten, die Aufklärung der Kunden sauber zu dokumentieren. Dies kann etwa durch vom Kunden zu visierende Gesprächsprotokolle erfolgen. Die Versendung ausführlicher Rechenschaftsberichte durch den Vermögensverwalter genügte dagegen im beurteilten Fall für den Nachweis der Aufklärung gerade nicht.

Originally published June 2017.

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