Der viel diskutierte «Giacometti-Entscheid » des Zürcher Verwaltungsgerichts vom 9. Mai 2012 (publiziert in SR.2011.00019) hat Kunst-Sammlern, -Liebhabern und -Experten in der Schweiz deutlich gemacht, dass auch einzelne im Haushalt präsentierte Kunstwerke unter Umständen von den Steuerbehörden nicht als steuerfreier Hausrat im Sinn von Art. 13 Abs. 4 StHG (SR 642.14) behandelt werden: Selbst wenn keine Sammlung vorliegt, können einzelne Werke als steuerpflichtiges Vermögen im Sinn von Art. 13 Abs. 1 StHG bzw. der anwendbaren kantonalen Gesetzgebung qualifiziert werden. In den meisten Kantonen werden bei der Beurteilung des Einzelfalls v.a. die konkrete Nutzung des Kunstwerks, die Tatsache, dass ein Werk separat versichert ist, der wertmässige Anteil des Kunstwerks verglichen mit dem Gesamtvermögen sowie der absolute Wert des Werks (im Kanton Zürich konkret das Überschreiten von 150'000 Franken) in die Betrachtung mit einbezogen. Im Fall einer Unterbesteuerung bezüglich eines Kunstwerks drohen Nachsteuern (Vermögenssteuer), Verzugszinsen sowie allenfalls eine Busse wegen Steuerhinterziehung (Art. 175 DBG [SR 642.11]; Art. 56 StHG) oder Verheimlichung von Nachlasswerten im Inventar (Art. 178 DBG; kantonale Gesetzgebung). Eine periodische Standortanalyse und gegebenenfalls die Korrektur einer bisherigen Unterbesteuerung im Rahmen einer straflosen Selbstanzeige bzw. einer vereinfachten Nachbesteuerung in Erbfällen sind deshalb im Rahmen einer adäquaten und risikobewussten Steuerplanung angezeigt.

Vermögensbesteuerung

Verkehrswert als Ausgangslage Sofern ein Vermögenswert nicht mehr als steuerfreier Hausrat zu qualifizieren ist und der Vermögenssteuer unterliegt, ist er vom – in der Schweiz un - beschränkt steuerpflichtigen – Eigen - tümer zum Vermögenssteuerwert in der jährlichen Steuer erklärung zu erfassen. Vorbehalten bleiben spezifische Deklarationspflichten bei pauschalbesteuerten Personen sowie das sog. «Art Leasing», bei welchem die Deklarations- und Versteuerungspflichten beim Leasing-Geber verbleiben. Auch bei Kunstwerken gilt der Verkehrswert per Ende der Steuerpe riode als Vermögenssteuerwert. Dieser (auch sog. Marktwert) wird als das «Entgelt, das ein Käufer für einen Gegenstand zu bezahlen bereit wäre, wenn er ihn erwerben wollte» definiert (vgl. auf der Homepage des Kantonalen Steueramts Zürich publizierte FAQ).

Während die Bestimmung des Verkehrswerts z.B. bei kotierten Wertpapieren (Kurswert) oder Fahrzeugen (Abschreibung vom Erwerbspreis) in der Regel unkompliziert ist, stellt sich in der Praxis bei Kunstwerken mangels Vorliegens eines zu Vergleichszwecken dienlichen Marktes häufig die Frage, welcher Wert einem Kunstwerk für die Zwecke der Vermögensbesteuerung zuzumessen ist. In der Regel muss davon ausgegangen werden, dass der ursprüngliche Erwerbspreis nicht mehr dem heutigen Verkehrswert entspricht. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Zürcher Verwaltungsgerichts erscheint jedenfalls bei Werken, welche zu einem Preis ab ca. 120'000 Franken erworben wurden, eine vertiefte Ana - lyse angezeigt. Besonders bei Auktionspreisen ist, nach Abzug der Kommissionen, zu berücksichtigen, dass sich aus dem auktionstypischen Steigern häufig eher Liebhaberpreise als ein objektiver Verkehrswert ergeben. Aufgrund des individuellen Charakters eines Kunstwerks lassen sich sodann auch durch Vergleiche mit ähnlichen Werken, welche in einem Referenzzeitraum am Markt die Hand gewechselt haben, selten direkt quantifizierbare Rückschlüsse auf den Wert eines bestimmten Kunstwerks im eigenen Besitz ziehen.

Bewertungsgutachten als Grundlage in der Praxis

In der Praxis wird von den Steuerbehörden vielfach auf Versicherungs- oder Schätzwerte (Gutachten) abgestellt. Für die Beurteilung, ob spezifische Werke steuerfreier Hausrat oder steuerbare Vermögenswerte darstellen und für die Bestimmung des Verkehrswerts, welcher den als steuerbaren Vermögenswerten identifizierten Kunstwerken für Besteuerungszwecke zuzumessen ist, bewährt sich in der Praxis auch aus Sicht des Eigentümers das Abstellen auf Versicherungswerte bzw. auf Schätzwerte.

  • Wo bislang keine separate Versicherung besteht, aber eine Schätzung die Behandlung eines Kunstwerks als steuerbaren Vermögenswert nahelegt, ist der Schätzwert vom Eigentümer in ge eigneter Weise für die Besteuerung zu berücksichtigen und es wird im Einzelfall der Abschluss einer Kunstversicherung zu evaluieren sein.
  • Bei Vorliegen einer Versicherung ist aus Sicht des Steuerpflichtigen nicht nur dem spezifischen Zweck der Ver - sicherungswerte und pauschalen Abschlägen oder Zuschlägen Rechnung zu tragen, sondern die den Versicherungswerten zugrundeliegende Schätzung ist kritisch zu würdigen: Handelt es sich um eine konservative oder grosszügige, eine pauschale oder individuelle, eine von einer anerkannten Fachperson vorgenommene Schätzung und unter welchen Umständen erfolgte diese?

Erfahrungsgemäss empfiehlt es sich, einmal erarbeitete Werte periodisch zu überprüfen, um Zukäufen und Abgängen Rechnung zu tragen und deren Finanzierung geeignet abzubilden sowie Wertsteigerungen über die Jahre nachvollziehbar und realitätsnah zu reflektieren. Sollte die sorgfältige Standortanalyse eines Kunstbestandes eine Unterbesteuerung zufolge Nichterfassung oder nur pauschaler Erfassung einzelner Werke oder aufgrund einer (erheblich) zu tiefen Bewertung für Steuerzwecke wahrscheinlich erscheinen lassen, ist durch den Steuerpflichtigen die Korrektur mittels einer Selbstanzeige zu prüfen (Art. 175 Abs. 3 DBG bzw. Art. 56 Abs. 1bis StHG).

Kunst im Nachlass

Vorbereitung durch den Erblasser

Auch Erben und der Willensvollstrecker sind mit der Frage nach dem massgebenden Verkehrswert von Kunstwerken konfrontiert, wenn sich Kunst in einem Nachlass befindet. Im Hinblick auf die Inventarpflicht (Grundlage für die Erbschaftssteuer) und die letzte Steuererklärung des Erblassers (Einkommensund Vermögensbesteuerung laufende Steuerperiode bis Todestag) ist, oft unter Zeitdruck und idealerweise unter Mitwirkung aller Erben und dem Willensvollstrecker, zu beurteilen, ob und zu welchen Werten Kunstwerke des Erblassers zu erfassen sind und ob ggf. Ergänzungen vorzunehmen sind.

Die vom Erblasser bereits verwendete Bewertung wird, soweit sie grundsätzlich plausibel erscheint, typischerweise von den Erben als Ausgangspunkt der Analyse übernommen. Gerade deshalb ist eine adäquate lebzeitige Auf - bereitung des Kunstbestands durch den Erblasser zu empfehlen. Diese umfasst nicht nur die Katalogisierung und Dokumentation der Kunstwerke für Vermögenssteuer- und Versicherungszwecke und auch im Hinblick auf die Eigentumsverhältnisse und Provenienz der Werke, sondern sollte auch eine allfällig nötige Nachversteuerung (Selbstanzeige durch den Erblasser) und die realistische Neu- oder Wiederbewertung der Kunstwerke für Steuer-, Versicherungs- und Erbteilungszwecke beinhalten.

Steuerliche Behandlung durch die Erben

Sollte im Rahmen der Sichtung eines Nachlasses im Hinblick auf dessen Erfassung in Inventar und/oder letzter Steuererklärung des Erblassers eine Unterbesteuerung als wahrscheinlich erscheinen, ist eine Nachbesteuerung durch die Erben im Rahmen einer vereinfachten Nachbesteuerung in Erbfällen (Art. 153a DBG; Art. 53a StHG) zu prüfen. Aufgrund des Zeitdrucks ist in der Praxis in aller Regel als erster Schritt eine Erstreckung der Einreichungsfristen für Inventar bzw. Steuererklärung des Erblassers per Todestag zu beantragen, um den involvierten Personen mehr Zeit für die Beschaffung der erforderlichen Unterlagen sowie eine Analyse der Ausgangslage und der einzuleitenden Schritte zu verschaffen. Eine vereinfachte Nachbesteuerung von Erben kann von jedem Erben einzeln eingeleitet werden. Zu beachten ist, dass der Willensvollstrecker im Rahmen seiner Sorgfaltspflichten ein Nachsteuerverfahren einleiten kann und muss, falls die Erben dies nicht tun.

Nach Abwicklung des Erbgangs bzw. nach Empfang eines Vermächtnisses ist schliesslich von den Erben und Vermächtnisnehmern im Hinblick auf ihre spezifische Situation zu prüfen, wie einzelne geerbte Kunstwerke bei ihnen steuerlich zu behandeln sind. Dabei ist der Praxis des jeweiligen Wohnsitzkantons bzw. -staats im Hinblick auf eine konsistente steuerliche Behandlung direkt ab dem Zeitpunkt des Vermögensanfalls Rechnung zu tragen, um eine Unterbesteuerung beim Erben bzw. Vermächtnisnehmer zu vermeiden.

Kunst beim Grenzübertritt

Auch beim Grenzübertritt ist der Wertbestimmung des in Frage stehenden Kunstwerks Beachtung zu schenken. Namentlich beim definitiven Import in die Schweiz und bei Freipassverfahren bemessen sich Einfuhrabgaben und Sicherstellungsbeträge bei Veräusserungs- und Kommissionsgeschäften am Erwerbspreis zuzüglich Transportkosten des Werks und ansonsten am Marktwert (Art. 54 Abs. 1 MWSTG [SR 641.20]).

Es ist somit zu empfehlen, den Erwerbspreis in geeigneter Form zu dokumentieren (schriftlicher Kaufvertrag) bzw. im Hinblick auf einen geplanten Erwerb mit anschliessender Einfuhr eine Schätzung des in Frage stehenden Kunstwerks zu veranlassen. Namentlich die Einfuhr basierend auf zu tief ausgestellten Rechnungen (sog. Proforma- Rechnungen) wird, als steuerverkürzende Handlung, durch die zuständigen Behörden unter Berücksichtigung sämtlicher Beweismittel geahndet. Zur Feststellung eines realistischen Erwerbspreises bzw. Marktwerts eines Kunstwerks können die Behörden dabei nicht nur eine vollständige Kauf - dokumentation (inkl. Zahlungsbelegen) anfordern, sondern z.B. auch eine Verkehrswertschätzung (Sachverständigengutachten) in Auftrag geben.

Fazit

Eine professionelle Bewirtschaftung von Kunstwerken umfasst nicht nur kuratorische, sondern auch wirtschaftliche Aspekte. Neben einer adäquaten und vollständigen Katalogisierung eines Bestandes empfiehlt sich insbesondere eine periodische Bewertung der Kunstwerke durch Schätzungen, verbunden mit einer regelmässigen Standortanalyse bezüglich der steuerlichen Behandlung der Werke. Nur so kann eine sinnvolle und pragmatische Besteuerung sichergestellt und aufrechterhalten werden, und nur so kann ein Kunstbestand adäquat versichert, weiterentwickelt und im Hinblick auf eine spätere Erbteilung aufbereitet warden

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