Unterhält die Arbeitgeberin einen Twitter-Account, besteht zumindest aufgrund der Funktionalität Antwort" ein Mitbestimmungsrecht des (Gesamt)Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.

LAG Hamburg, Beschluss v. 13.09.2018 – 2 TaBV 5/18

Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats (GBR) beim Betreiben eines Twitter-Accounts durch die Arbeitgeberin. Diese betreibt bundesweit durch verschiedene Tochtergesellschaften Multiplex-Kinos.

Sie unterhält auf der Internetplattform Twitter einen Account, der unternehmensübergreifend für die Kinobetriebe eröffnet wurde. Dieser wird vom Social-Media-Team in der Zentralverwaltung gesteuert. Die Tweets der Arbeitgeberin sind für jeden Internetnutzer sichtbar. Öffentliche Antworten auf die Tweets sind zumindest für alle registrierten Twitter-Nutzer sichtbar und können durch die Arbeitgeberin nicht gelöscht werden. Laut ihrer Internetseite nutzt die Arbeitgeberin Twitter für einen offenen Meinungsaustausch" mit den Kinobesuchern. Der GBR verlangt die Deaktivierung des Twitter-Accounts bis zum Abschluss einer die Mitbestimmungsrechte aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG wahrenden Einigung. Es bestehe die Möglichkeit, dass Postings zum Verhalten und zur Leistung von Mitarbeitern einzelnen Mitarbeitern namentlich oder situationsbedingt zugeordnet werden können. Die Twitterseite sei demnach zur arbeitgeberseitigen Überwachung bestimmt.

Die Arbeitgeberin bezweifelt dagegen, dass der Twitter-Account eine technische Einrichtung darstellt, die im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG dazu bestimmt ist, das Verhalten und die Leistung von Mitarbeitern zu überwachen. Somit sei die Nutzung des Twitter-Accounts nicht mitbestimmungspflichtig.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge zunächst zurückgewiesen.

Die Beschwerde des GBR hatte Erfolg. Das Landesarbeitsgericht entschied, dass dem GBR ein Anspruch auf Unterlassung der mitbestimmungswidrigen Maßnahme aus § 87 Abs. 1 BetrVG zustehe. Nach Auffassung des Gerichts stellt der Twitter-Account eine technische Einrichtung im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG dar. Dieses Mitbestimmungsrecht ist darauf gerichtet, Arbeitnehmer vor Beeinträchtigung ihres Persönlichkeitsrechts durch den Einsatz technischer Überwachungseinrichtungen zu bewahren. Die Twitter-Funktion Antwort" ermögliche Nutzern, Tweets zum Verhalten oder der Leistung von Arbeitnehmern abzugeben. Diese, zumindest für registrierte Nutzer einsehbaren, Antworten kann der Arbeitgeber ggf. einzelnen Arbeitnehmern zuordnen und zur Verhaltens- oder Leistungskontrolle verwenden. Dies sei vergleichbar mit einem an die Arbeitgeberin gerichteten Beschwerdebrief. Aufgrund der Antwortfunktion sei Twitter also dazu geeignet, Daten über die Leistung und das Verhalten von Arbeitnehmern zu sammeln.

Durch öffentliche, an die Arbeitgeberin gerichtete Tweets werden die Arbeitnehmer zudem einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt. Hierdurch werden sie in ihrem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, was noch dadurch verstärkt werde, dass die Tweets arbeitgeberseitig nicht gelöscht werden können. Der Schutzzweck des § 87 Abs.1 Nr. 6 BetrVG gebiete hier keine einschränkende Auslegung.

Weiter stellt das Gericht verallgemeinernd fest, dass die Nutzung eines sozialen Netzwerks wie Twitter, das dem Arbeitgeber eine direkte und öffentliche Kommunikation mit seinen Kunden ermöglicht und von einer unbegrenzten Anzahl von Menschen genutzt wird, zum Schutz der Arbeitnehmer einer betrieblichen Regelung bedürfe.

Praxistipp:

Die Entscheidung ist auf einer Linie mit dem BAG – Urteil aus Dezember 2016 (13.12.2016 – 1 ABR 7/15) – zur Mitbestimmungspflicht bei der Nutzung eines arbeitgeberseitigen Facebook-Accounts.

Die Entscheidung des LAG spezifiziert, dass es bereits ausreicht, wenn nur ein Aspekt der technischen Einrichtung mitbestimmungspflichtig ist, um einer Einigung mit dem Betriebsrat zu bedürfen. Für eine Mitbestimmungspflicht ist ferner nicht entscheidend, ob der Arbeitgeber eine Auswertung der Daten tatsächlich beabsichtigt. Die objektive Geeignetheit für eine Überwachung ist ausschlaggebend. In Anbetracht der Tendenzen aktueller Rechtsprechung empfiehlt es sich, vor Einführung eines arbeitgeberseitigen Social-Media-Tools eine Einigung mit dem Betriebsrat zu erwirken.

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