Mithilfe der Vorschrift des § 6a GrEStG können grundstückbesitzende Unternehmen und Konzerne Umstrukturierungen durchführen, ohne dass Grunderwerbsteuer anfällt. Die praktische Bedeutung dieser steuerlichen Privilegierung ist angesichts der Höhe der ansonsten fälligen Grunderwerbsteuern evident. In der Vergangenheit kam dabei aufgrund der grunderwerbsteuerlichen Begünstigung durch § 6a GrEStG die Frage auf, ob es sich bei dieser Vorschrift nicht vielleicht um eine nach dem Europarecht verbotene Beihilfe handelt. Der II. Senat des BFH legte dem EuGH die Konzernklausel des § 6a GrEStG vor (30. Mai 2017, II R 62/14). Nachdem im Juni diesen Jahres die mündliche Verhandlung stattfand, hat nun der Generalanwalt mit seinen Schlussanträgen vom 19. September 2018 (C-374/17) hierzu Stellung genommen.

Hintergrund

Nach der Vorschrift des § 6a GrEStG sind bestimmte Umwandlungsvorgänge in Unternehmen, Unternehmensgruppen und Konzern, bei denen mindestens 95%-ige Beteiligungen an grundstücksbesitzenden Gesellschaften übertragen werden, ausnahmsweise von der Grunderwerbsteuer befreit. Mit der Vorschrift wollte der Gesetzgeber in 2010 den Nachwirkungen der Finanzkrise entgegenwirken und Wachstumshemmnisse beseitigen, indem er die Bedingungen für Umstrukturierungen von Unternehmen krisenfest, planungssicher und mittelstandsfreundlich ohne den Anfall etwaiger Grunderwerbsteuer ausgestaltet hatte.

Tatsächlich sind jedoch auch acht Jahre nach Inkrafttreten der Vorschrift eine Vielzahl von Rechtsfragen im Zusammenhang mit dieser Steuerbefreiungsvorschrift ungeklärt. Die Finanzverwaltung bejaht die Anwendung von § 6a GrEStG in der Praxis nur unter sehr engen Voraussetzungen, wodurch die Vorschrift sehr streitanfällig ist. Wiederholt hatte der BFH zudem dabei das Bundesfinanzministerium in der Vergangenheit zur Stellungnahme aufgefordert, ob § 6a GrEStG unionsrechtlich eine verbotene Beihilfe darstellt, bevor es diese Frage schlussendlich in 2017 dem EuGH zur Klärung vorlegte.

Spätestens mit der Vorlage der Frage durch den BFH ist die Anwendung des § 6a GrEStG bis auf Weiteres de facto ausgesetzt. Denn weder der Steuerpflichtige noch die Finanzverwaltung können sich jetzt noch darauf verlassen, dass eine auf diese Vorschrift gestützte Steuerbefreiung Bestand haben wird. Die Frage ist in der Praxis von erheblicher Relevanz, da eine Bejahung zur Folge hätte, dass nicht nur die zukünftige Anwendung von § 6a GrEStG ausgeschlossen wäre, sondern sämtliche in der Vergangenheit erhaltene Steuerbefreiungen zurückzuzahlen wären. Die Rückzahlungspflicht bestünde in diesem Fall ohne Rücksicht auf Bestandskraft, Verjährung oder sonstigen Vertrauensschutzerwägungen.

Auffassung des Generalanwalts

Der Generalanwalt Henrik Saugmandsgaard Øe hat die vom BFH vorgelegte Frage in den nun vorliegenden Schlussanträgen vom 19. September 2018 verneint. Nach seiner Auffassung stellt § 6a GrEStG keine verboten Beihilfe dar.

Grundsätzlich ist die Einstufung als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV von der Erfüllung von sechs Voraussetzungen abhängig:

  1. Die nationale Maßnahme muss einem Unternehmen einen Vorteil verschaffen.
  2. Dieser Vorteil muss selektiv sein.
  3. Dieser Vorteil muss dem Staat zurechenbar sein.
  4. Die Maßnahme muss aus staatlichen Mitteln gewährt werden.
  5. Die Maßnahme muss den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten beeinträchtigen.
  6. Diese Maßnahme muss den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen.

Der Generalanwalt bejaht das grundsätzliche Vorliegen von fünf der sechs Voraussetzungen. Es fehle der Vorschrift des § 6a GrEStG aber an der erforderlichen Selektivität.

Dabei sind nur solche Vorteile als selektiv einzustufen, die entweder ein oder mehrere Unternehmen oder Gruppen von Unternehmen oder ein oder mehrere Produktionszweige beanspruchen können. Demgegenüber sind Vorteile, die sektorübergreifend allen Unternehmen im Inland offen stehen und den Unternehmen insgesamt und unabhängig von ihrem Tätigkeitsbereich gewährt werden, als allgemeine Maßnahmen anzusehen. Unerheblich sei dabei, ob Unternehmen tatsächlich in den Genuss des fraglichen Vorteils kommen, sondern nur, dass alle Unternehmen in seinen Genuss kommen könnten.

Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung des Generalanwalts erfüllt, da § 6a GrEStG allen Unternehmen zugutekommt und nicht auf Unternehmen mit einem bestimmten Tätigkeitsgegenstand bzw. auf bestimmte Produktionszweige beschränkt ist, sondern auf alle Unternehmen unabhängig vom Gegenstand ihrer Tätigkeit Anwendung findet. Zudem schreibt § 6a GrEStG keine Voraussetzungen betreffend die Rechtsform, die Unternehmensgröße oder einen Ort des Unternehmenssitzes vor. Überdies kommen Umwandlungsvorgänge nach dieser Vorschrift in jeder Branche vor.

Im Ergebnis stellt die Befreiung nach § 6a GrEStG keine verbotene staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV dar, da sie jedem Unternehmen im Inland und selbst jedem inländischen oder ausländischen Unternehmen, das im Inland ein Grundstück besitzt, offensteht.

Fazit und Ausblick

Die in den Schlussanträgen vertretene Auffassung und das darin gefundene Ergebnis ist ein positives Signal an alle Unternehmer mit Grundbesitz. Zwar ist der EuGH grundsätzlich nicht an die Schlussanträge des Generalanwalts gebunden. In der Regel kommt diesen aber ein erhebliches Gewicht bei der Entscheidungsfindung der obersten europäischen Richter zu. Die Auffassung des Generalanwalts lässt daher hoffen, dass § 6a GrEStG auch weiterhin bei Umstrukturierungen genutzt werden kann und diejenigen Unternehmen, die in der Vergangenheit von der Befreiungsvorschrift Gebrauch gemacht haben, keine Rückerstattung zu fürchten haben. Gerade weil die Grunderwerbsteuer aktuell politisch auf dem Prüfstand steht und in Kürze wohl mit erheblichen Verschärfungen zu Lasten der Steuerpflichtigen zu rechnen sein dürfte, wäre eine hoffentlich den Schlussanträgen des Generalanwalts entsprechende Entscheidung des EuGH aus Sicht der Gestaltungspraxis nur zu begrüßen.

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