Es ist rechtlich nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ein Arbeitnehmer neben dem bestehenden Arbeitsverhältnis ein freies Dienstverhältnis mit seinem Arbeitgeber begründet. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das dem Arbeitgeber aufgrund des Arbeitsvertrags zustehende Weisungsrecht nicht für diejenigen Tätigkeiten gilt, die der Arbeitnehmer aufgrund des Dienstverhältnisses schuldet.

BAG, Urteil v. 27.06.2017 – 9 AZR 851/16

Die Klägerin ist Musikschullehrerin und seit 1985 auf Basis eines Dienstvertrags als freie Mitarbeiterin in zeitlich unterschiedlichem Umfang für das beklagte Land tätig. Im Jahr 1986 schlossen die Parteien daneben einen Arbeitsvertrag mit 50% der Arbeitszeit einer Vollzeitkraft.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass auch ihre Tätigkeit im Rahmen des Dienstvertrags ein Arbeitsverhältnis darstellt, da ihrer Auffassung nach ein Nebeneinander von Arbeits- und Dienstvertag rechtlich ausgeschlossen sei.

Die Klage wurde vom Arbeitsgericht abgewiesen, die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Auch in dritter Instanz hatte die Klägerin keinen Erfolg.

Nach Auffassung des BAG wurde die Klägerin nur im Rahmen ihres Teilzeit-Arbeitsvertrags als Arbeitnehmerin beschäftigt. Die darüber hinausgehende Tätigkeit wurde auf Basis eines freien Mitarbeiterverhältnisses erbracht.

Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von einer freien Mitarbeit durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines Vertrags zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Da auch die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit Einfluss auf den Grad der persönlichen Abhängigkeit haben kann, kommt es stets auf eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls an. Widersprechen sich Vertragsinhalt und die tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgeblich für die Beurteilung des Rechtsverhältnisses.

Im schulischen Bereich geht das BAG davon aus, dass Lehrer an allgemeinbildenden Schulen in aller Regel Arbeitnehmer sind. Demgegenüber können Volkshochschuldozenten oder Lehrer an Musikschulen als freie Mitarbeiter beschäftigt werden, auch wenn es sich bei dem Unterricht um aufeinander abgestimmte Kurse mit vorher festgelegtem Programm handelt.

Im vorliegenden Fall ließ sich dem zwischen den Parteien geschlossenen Dienstvertrag und dessen entsprechender tatsächlicher Umsetzung entnehmen, dass es sich insoweit nicht um eine Scheinselbständigkeit handelte. Die Klägerin war in der Gestaltung und Durchführung des Unterrichts sowie der Lehrpläne frei und unterlag keinen Weisungsrechten der Musikschule. Unterrichtsmaterialien hatte sie selbst zu beschaffen oder durch die Schüler beschaffen zu lassen. Die Unterrichtstermine konnte die Klägerin frei mit ihren Schülern vereinbaren. Zwar stellte die Musikschule Räumlichkeiten zur Verfügung, zu deren Nutzung die Klägerin aber nicht verpflichtet war. Sie hatte keinen Anzeige- oder Nachweispflichten bei Krankheit nachzukommen und musste ausgefallenen Unterricht nachholen. Es konnten somit keine Tatsachen festgestellt werden, die darauf schließen lassen, dass die tatsächliche Durchführung des Dienstvertrags von den darin vereinbarten Bestimmungen abweicht und die zur Annahme einer Weisungsgebundenheit der Klägerin führen.

Da es bei dem Vorliegen verschiedener Vertragstypen auch nicht auf die Außenwirkung gegenüber Dritten ankommt, ist es insgesamt nicht ausgeschlossen, dass zu der selben Person ein Arbeitsverhältnis und darüber hinaus ein Dienstverhältnis besteht. Voraussetzung ist allerdings, dass das Weisungsrecht des Arbeitgebers nicht für die Tätigkeiten gilt, die sein Vertragspartner aufgrund des Dienstverhältnisses schuldet.

Praxistipp:

Denkbar sind auch Konstellationen, in denen sich die Tätigkeiten als Arbeitnehmer und als freier Mitarbeiter inhaltlich voneinander unterscheiden. Aber auch hier bleibt die Frage ausschlaggebend, ob der Mitarbeiter im Rahmen seines Dienstverhältnisses tatsächlich weisungsfrei tätig wird und nur im Rahmen des Arbeitsvertrags den Weisungen seines Arbeitgebers unterliegt.

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