Mit dem Steueränderungsgesetz 2015 erteilt der Gesetzgeber der Ansicht des BFH, dass es für die Beurteilung einer mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes nach § 1 Abs. 2a GrEStG auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise unter Bezugnahme auf § 39 AO ankommt, eine klare Absage. Vielmehr wird durch die Neuregelung die Auffassung der Finanzverwaltung kodifiziert. Die Höhe der mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes einer Personengesellschaft wird damit zukünftig in Abhängigkeit von der Rechtsform der Gesellschafter ermittelt.

HINTERGRUND UND HISTORIE

Nach § 1 Abs. 2a GrEStG führt der unmittelbare oder mittelbare Übergang von mindestens 95 Prozent der Anteile am Gesellschaftsvermögen einer grundbesitzenden Personengesellschaft auf neue Gesellschafter innerhalb von fünf Jahren zum Anfall von Grunderwerbsteuer, da ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft vorliegt.

Im Hinblick auf die Ermittlung der schädlichen Beteiligungsquote im Falle des unmittelbaren Übergangs von Anteilen an einer grundbesitzenden Personengesellschaft ist es zwischen Finanzverwaltung und Rechtsprechung unstreitig, dass ausschließlich eine zivilrechtliche Betrachtungsweise vorzunehmen ist.

Anders sieht dies die Rechtsprechung im Falle der mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden Personengesellschaft.

Schon im Urteil des BFH vom 24. April 2013 (II R 17/10) stellte dieser fest, dass im Falle des mittelbaren Gesellschafterwechsels nur eine wirtschaftliche Betrachtungsweise in Betracht kommt. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei den Gesellschaftern der grundbesitzenden Personengesellschaft um Kapitalgesellschaften oder Personengesellschaften handelt. In seinen Entscheidungsgründen moniert der BFH insbesondere, dass das Gesetz keine ausdrückliche Regelung des für die Erfüllung des Tatbestandes notwendigen Umfanges einer mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG a.F. enthalte. Die ausgemachte Regelungslücke hatte er mit der beschriebenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise geschlossen. Auf dieses Urteil reagierte die Finanzverwaltung mit einem Nichtanwendungserlass.

Anknüpfend an das genannte Urteil aus 2013, bestätigt der BFH in einem weiteren Urteil vom 9. Juli 2014 (II R 49/12) seine Ansicht, dass bei der Prüfung einer Änderung des mittelbaren Gesellschafterbestandes ausschließlich wirtschaftliche Gesichtspunkte entscheidend sind. Ergänzend führt der BFH im neueren Urteil aus, dass für eine solche wirtschaftliche Betrachtungsweise auf die Grundsätze zum wirtschaftlichen Eigentum nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zurückzugreifen ist. Nach den Ausführungen des BFH ist es für die Zurechnungsentscheidung maßgebend, ob zum einen der Käufer eine Rechtsposition erlangt, die nicht mehr einseitig entzogen werden kann, und des Weiteren, ob und inwieweit wesentliche mit dem Anteil verbundene Rechte sowie das Risiko der Wertminderung und die Chance der Wertsteigerung des Anteils auf einen neuen Gesellschafter übergehen.

Die genannten Urteile des BFH sind in der Literatur höchst umstritten. Insbesondere ist nach bisher allgemeiner Auffassung § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO im Grunderwerbsteuerrecht im Grundsatz nicht anwendbar. Denn bei der Neufassung des § 1 Abs. 2a GrEStG zum 1. Januar 2010 hat der Gesetzgeber bewusst das Tatbestandsmerkmal bei wirtschaftlicher Betrachtung" aus dem Gesetzeswortlaut gestrichen. Weiterhin ist die Tragweite der genannten Entscheidungen unklar. Insbesondere wird in der Literatur diskutiert, ob und inwieweit die durch den BFH aufgestellten Grundsätze auch auf die Auslegung des Begriffs des mittelbaren Anteilswechselns nach § 1 Abs. 3 GrEStG und § 1 Abs. 3a GrEStG anwendbar sind.

REAKTION DES GESETZGEBERS

Schon nach dem Urteil des BFH aus 2013 gab es Bestrebungen des Gesetzgebers, die Regelungen zum mittelbaren Gesellschafterwechsel nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG weiter zu konkretisieren. Allerdings nicht im Sinne einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise entsprechend der BFH-Ansicht, sondern in Anlehnung an die schon existierenden Anwendungserlasse der Finanzverwaltung zu diesem Themenkomplex. Die Umsetzung scheiterte 2014 nur an dem Streit über die Zulässigkeit einer Rückwirkung der neuen, ergänzenden Regelungen.

Im Lichte der neuen und noch weiter gehenden BFHEntscheidung aus 2014 hat am 16. Oktober 2015 der Bundesrat nun den vom Deutschen Bundestag am 24. September 2015 in zweiter und dritter Lesung behandelten Gesetzentwurf des Steueränderungsgesetzes 2015 (StÄndG 2015") beschlossen. Ausgangspunkt des verabschiedeten StÄndG 2015 war das Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 22. Dezember 2014. Die Neuregelung entfaltet keine Rückwirkung, sondern tritt am Tag nach der Verkündung des StÄndG 2015 in Kraft. Da die Veröffentlichung im Bundesanzeiger am 5. November 2015 erfolgte, ist die Neuregelung auf entsprechende Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach diesem Zeitpunkt verwirklicht wurden und werden.

Nach dem StÄndG 2015 wird die bestehende gesetzliche Regelung wie folgt ergänzt (verkürzt):

Mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand von den an einer Personengesellschaft beteiligen Personengesellschaften werden durch Multiplikation der Vomhundertsätze der Anteile am Gesellschaftsvermögen anteilig berücksichtigt. [...] Eine unmittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft gilt in vollem Umfang als neue Gesellschafterin, wenn an ihr mindestens 95 vom Hundert der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen. [...]."

Mit dieser ergänzenden gesetzlichen Regelung wird die von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung kodifiziert und der wirtschaftlichen Betrachtungsweise des BFH eine klare Absage erteilt. Für die Entscheidung, ob eine mittelbare Änderungen des Gesellschafterbestandes nach § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. vorliegt, ist in Zukunft damit entscheidend, ob es sich bei den Gesellschaftern der Personengesellschaft um eine Personengesellschaft oder eine Kapitalgesellschaft handelt.

Ist eine Personengesellschaft unmittelbar beteiligt oder liegt eine mittelbare Beteiligung über mehrstöckige Personengesellschaften vor, so ist auf die jeweiligen Beteiligungsverhältnisse abzustellen. Damit erfolgt eine Durchrechnung.

Bei der Beteiligung einer Kapitalgesellschaft liegen die Voraussetzungen der mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes bei einer unmittelbaren oder teils unmittelbaren, teils mittelbaren Änderung der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft um mindestens 95 Prozent vor. Bei einer mehrstufigen Beteiligung von Kapitalgesellschaften ist die Prüfung für jede Beteiligungsebene gesondert vorzunehmen. Bei Erreichen der 95-Prozent-Grenze ist die mittelbare Beteiligung in voller Höhe zu berücksichtigen (und nicht nur in Höhe von 95 Prozent).

Liegt eine gemischte Beteiligungsstruktur mit Kapital- und Personengesellschaften vor, so wird bei Personengesellschaften- Gesellschaftern durchgerechnet und auf Ebene der Kapitalgesellschaft-Gesellschaftern ist die 95-Prozent-Grenze zu prüfen.

FAZIT

Der Steuerpflichtige muss sich nunmehr wieder an die bislang geltende Auffassung der Finanzverwaltung anpassen und kann seine Investitionsentscheidung nicht mehr an den Urteilen des BFH aus 2013 und 2014 ausrichten. Da der Gesetzgeber vorliegend aber auf (die ursprünglich geplante) Rückwirkung verzichtet hat, unterfallen Erwerbe, die vor dem Tag der Verkündung des StÄndG 2015 erfolgten, grundsätzlich nicht der neuen ergänzenden Regelung und es kann sich insoweit auf die Rechtsprechung des BFH berufen werden. Zukünftige Investitionsentscheidungen sollte der Steuerpflichtige steuerlich überprüfen lassen und sich so an die nach dem StÄndG 2015 vorliegenden Gegebenheiten anpassen.

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