VERFÜGUNGSBEFUGNIS NACH LÖSCHUNG EINES INSOLVENZVERMERKS IM GRUNDBUCH

By Elmar Günther

OLG Naumburg 12. Zivilsenat, Beschluss vom 12. November 2013 – 12 Wx 43/13

Leitsat

Die Löschung des Insolvenzvermerks im Grundbuch führt für sich betrachtet nicht zur Wiedererlangung der Verfügungsbefugnis des als Eigentümer eingetragenen Schuldners.

Das Grundbuchamt kann daher vor dem Vollzug von Verfügungen des Schuldners über das Grundstückseigentum den Nachweis des Ausscheidens der Liegenschaft aus der Masse verlangen.

Die hierzu notwendige Freigabeerklärung des Treuhänders bedarf der Form des § 29 GBO.

Sachverhalt

Zwei Privatpersonen waren als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Über ihr Vermögen wurde ein Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet und ein Treuhänder bestellt. Ein Insolvenzvermerk wurde im Juli 2012 im Grundbuch eingetragen und im Dezember 2012 wieder gelöscht. Hierbei ergibt sich aus dem Beschluss nicht, ob die Löschung aufgrund Ersuchen des Insolvenzgerichts oder des Treuhänders erfolgte. Mit notariellem Kaufvertrag vom April 2013 veräußerten die Eigentümer das Grundstück. Zur Sicherung des Käuferanspruchs auf Eigentumsverschaffung bewilligten die Eigentümer die Eintragung einer entsprechenden Vormerkung. Das Grundbuchamt nahm die beantragte Eintragung nicht vor und verlangte den Nachweis in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Form, dass die Eigentümer ihre Verfügungsbefugnis wiedererlangt hätten. Hierzu seien sowohl die Freigabeerklärung selbst als auch der Nachweis des Zugangs derselben beim Schuldner in grundbuchtauglicher Form vorzulegen. Hiergegen legten die Eigentümer Beschwerde beim Oberlandesgericht ein.

Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Das Oberlandesgericht hat in Fortführung früherer Beschlüsse dem Grundbuchamt zugestimmt. Es hat klargestellt, dass der Insolvenzvermerk und die Verfügungsbefugnis strikt zu trennen seien. Bei Insolvenzeröffnung geht die Verfügungsbefugnis des Grundstückseigentümers als Schuldner auf den Insolvenzverwalter über. Der Insolvenzvermerk ist dagegen ein rein deklaratorischer Eintrag im Grundbuch, der den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis des eingetragenen Eigentümers zerstört. Es ist allgemein anerkannt, dass die Eintragung des Insolvenzvermerks sowie – bei fehlendem Eintrag – das sichere Wissen des Grundbuchamtes von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die Vermutung der Verfügungsbefugnis des Eigentümers beim Grundbuchamt zerstören und es Verfügungen des Eigentümers nicht ohne Nachweis der (wiedererlangten) Verfügungsbefugnis eintragen darf. Nach Ansicht des Oberlandesgerichtes geben weder die Eintragung noch die Löschung des Insolvenzvermerks Auskunft über die materiellrechtliche Veräußerungsbefugnis, ob also das Grundstück (noch) zur Insolvenzmasse gehört oder nicht. Das Oberlandesgericht argumentiert, dass bei einem fortdauernden Insolvenzverfahren nämlich stets vom Bestehen einer Verfügungsbeschränkung auszugehen sei, der Schuldner also nicht verfügungsbefugt ist. Die Löschung des Vermerks gebe lediglich die Ansicht des Insolvenzgerichts wieder, als bloße Wissenserklärung. Auch ein Antrag des Insolvenzverwalters selbst erbringe den Nachweis, dass das Verfügungsverbot entfallen sei, nicht. Wegen des Legalitätsprinzips sei es dem Grundbuchamt strikt untersagt, an gutgläubigen Erwerben mitzuwirken. Vielmehr sei der Fortfall der Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters und die Wiedererlangung der Verfügungsbefugnis des Eigentümers in der Form des § 29 Grundbuchordnung (GBO) – d. h. öffentlich oder öffentlich beglaubigt – nachzuweisen. Zu diesem Nachweis gehöre sowohl die Erklärung des Insolvenzverwalters über die Freigabe des Grundstücks aus der Insolvenzmasse als auch der Zugang dieser Erklärung beim Grundstückseigentümer.

Diese Argumentation steht in der Tradition der grundlegenden Entscheidung des OLG Rostock (Beschluss vom 18. Januar 2012 – Az. 5 Wx 114/11) und der Entscheidungen des OLG Jena und entspricht der vorherrschenden Meinung. Kritik hieran wurde – soweit ersichtlich – nur seitens des Deutschen Notarinstituts sowie einer jüngeren Entscheidung des OLG Hamm (Beschluss vom 20. März 2014 – Az. I-15 W 392/13, 15 W 392/13) geübt. Zwar sei der Vermerk selbst lediglich deklaratorisch, der Umstand, durch wen und wie die Löschung bewirkt wird, habe aber Einfluss auf die durch das Legalitätsprinzip geforderte sichere Kenntnis von der Verfügungsbeschränkung. Da bei einem Ersuchen des Insolvenzgerichts oder des Insolvenzverwalters das Verfahren entweder beendet oder eingestellt, beziehungsweise das Grundstück vom Insolvenzverwalter freigegeben oder veräußert ist, wäre die Verfügungsbeschränkung wie bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens außergrundbuchlich entfallen, das Grundbuch würde also unrichtig. Die Kritik argumentiert, bei einem Ersuchen des Insolvenzgerichts gäbe es gerade keine Grundlage mehr für Zweifel an der Wiedererlangung der Verfügungsbefugnis des Eigentümers. Das Grundbuchamt dürfe also gerade nicht mehr nur von dem eventuell fortgeführten Insolvenzverfahren auf die andauernde Beschränkung schließen.

Nach Ansicht des OLG Rostock betrifft die Beweiskraft des Ersuchens des Gerichts durch die Form (mit Unterschrift und Siegel) nur den Umstand, dass Erklärungen von dem Gericht abgegeben seien, erstreckt sich aber nicht auf den Inhalt der Erklärung. Dagegen wird eingewandt, das Ersuchen nach § 38 GBO ersetze gerade durch Unterschrift, Stempel oder Siegel der Behörde sowohl den üblichen Antrag (§ 13 GBO), die Bewilligung (§ 19 GBO) sowie die Nachweise (§§ 22, 29 GBO). Das OLG Hamm weist in diesem Zusammenhang auch auf die Gesetzesbegründung der (für diesen Fall) identischen Vorgängervorschrift der Konkursordnung zur Insolvenzordnung hin. Danach wollte der Gesetzgeber gerade das Grundbuchamt von schwierigen inhaltlichen Prüfungen entlasten und den Gutglaubensschutz eines Erwerbers nach § 892 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wieder herstellen. Würde das Grundbuchamt Eintragungen verweigern, da es trotz eines gelöschten Insolvenzvermerks von dem Fortbestand der außergrundbuchlichen Verfügungsbefugnis ausginge, würde dies die Intention des Gesetzgebers konterkarieren.

Unklar bleibt in der Diskussion, ob die fraglichen Ersuchen der Gerichte inhaltlich nur die Löschung beinhalteten, oder auch den Grund für die Löschung, zum Beispiel Verfahrensbeendigung oder Freigabe des Grundstücks durch den aktuellen Insolvenzverwalter, angegeben haben. Im letzteren Fall spräche wohl einiges für die Kritiker der vorherrschenden Rechtsprechung.

Auswirkungen auf die Praxis

Trotz beachtenswerter Kritik an den Entscheidungen ist nicht absehbar, dass sich die kritischen Stimmen durchsetzen. Daher muss in der Praxis die vorherrschende Rechtsprechung beachtet werden. Dabei besteht die Gefahr, dass im Transaktionsgeschäft einige Schwierigkeiten auftreten.

Erstens sollte bei Ankaufsprüfungen darauf geachtet werden, ob ein Insolvenzvermerk während der Eigentümerzeit des Verkäufers eingetragen und wieder gelöscht wurde. In diesem Fall muss der Käufer darauf drängen, dass entsprechende Nachweise der wiedererlangten Verfügungsmacht in grundbuchtauglicher Form im Original vorgelegt werden.

Zweitens könnte die Beschaffung dieser Unterlagen in der notwendigen Form Probleme bereiten. Denn materiell-rechtlich genügt die Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters beispielsweise in einfach schriftlicher Form. Je nachdem, wie lange die Löschung zurückliegt, können die Dokumente auf Verkäuferseite nicht beschafft werden, zum Beispiel wegen zwischenzeitlicher Beendigung des Amtes des Insolvenzverwalters. Auch die in der Rechtsprechung erwogene Alternative der Vorlage etwaiger Beschlüsse des Insolvenzgerichts mag bei Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens helfen, nicht aber bei bloßer Freigabe aus der Insolvenzmasse. Auf Eigentümerseite muss zur Wahrung der Marktgängigkeit eines Grundstücks in so einem Fall bei Freigabe auf die Beschaffung der Unterlagen in öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Form geachtet werden.

Drittens hat die Rechtsprechung in diesem Zusammenhang bislang nicht die Probleme bei dem Nachweis der (andauernden) Insolvenzverwaltereigenschaft bedacht. Das heißt, die Unterlagen für den Nachweis der andauernden Eigenschaft bei Freigabe sollten vorsorglich ebenfalls angefordert werden. Allerdings hat die Vorlage der Bestallungsurkunde des Insolvenzverwalters nebst einer Bescheinigung des Insolvenzgerichts über die fortdauernde Bestellung nur eine auf den Vorlagezeitpunkt begrenzte Aussagekraft. Das heißt, das Vorliegen des Originals muss bei der Freigabeerklärung gleich mit dokumentiert werden. Ob das mit jedem Insolvenzverwalter faktisch durchführbar ist, darf bezweifelt werden.

Die Probleme stellen sich in der Regel nur bei Freigabe des Grundstücks trotz fortgeführten Insolvenzverfahrens. Verfügungen des Schuldners erfolgen dann allerdings erfahrungsgemäß in relativer zeitlicher Nähe zu der Freigabe. Die Dokumentation sollte daher besser zu erstellen sein als bei Verfügungen erst Jahre später. Nichtsdestotrotz wäre es wünschenswert, wenn die aufgestellten Hindernisse für die Praxis durch Übernahme der kritischen Gegenansichten durch die Rechtsprechung beseitigt würden.

EINTRAGUNG EINER BAUHANDWERKERSICHERUNGSHYPOTHEK NACH GRUNDSTÜCKSVERKAUF

By Annika Baut

BGH 7. Zivilsenat, Urteil vom 18. Dezember 2014 – VII ZR 139/13

Nach der gesetzlichen Regelung des § 648 BGB kann ein Unternehmer, der mit der Errichtung eines Bauwerks oder eines Teils davon beauftragt worden ist, zur Sicherung seiner Forderungen aus dem Werkvertrag die Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek an dem Baugrundstück des Auftraggebers verlangen. Ob ein solches Recht des Unternehmers auf Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek auch dann besteht, wenn das zu belastende Grundstück zwischenzeitlich veräußert worden ist, hatte der BGH nunmehr in seiner Entscheidung vom 18. Dezember 2014 zu entscheiden.

Leitsat

Der Unternehmer wird durch § 648 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich nicht davor geschützt, dass der Besteller das Grundstück veräußert, auf dem der Unternehmer die nach dem Vertrag geschuldete Bauleistung zu erbringen hat. Dem Unternehmer kann daher nur in Ausnahmefällen gegen einen Dritten, der das Grundstück von dem Besteller erwirbt, ein Anspruch auf Bewilligung der Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek zustehen.

Sachverhalt

Der Entscheidung des BGH lag ein Werkvertrag zugrunde. Im Dezember 2008 bzw. Oktober 2009 beauftragte die Beklagte zu 2 die Klägerin mit diversen Bauleistungen (Sanitär-, Heizungs- und Lüftungsarbeiten, Lieferung und Montage eines Pelletkessels etc.). Im Zeitpunkt der Auf- tragserteilung war die Beklagte zu 2 Eigentümerin der Eigentumswohnungen, an denen die Bauleistungen ausgeführt werden sollten. Der Beklagte zu 1 ist der alleinige Geschäftsführer der Beklagten zu 2 und zugleich Vorstand des einzigen Gesellschafters der Beklagten zu 2.

Nach Auftragserteilung erbrachte die Klägerin einen Teil der beauftragten Leistungen. Im Dezember 2009 stellte sie ihre Arbeiten ein. Mit Rechnung vom Dezember 2009 stellte die Klägerin der Beklagten zu 2 die Lieferung und Montage des Pelletkessels in Rechnung, welche die Beklagte zu 2 auch beglich. Darüber hinaus rechnete die Klägerin in der Folgezeit weitere Bauleistungen von insgesamt rund EUR 25.000 ab. Entsprechende Zahlungen seitens der Beklagten zu 2 erfolgten jedoch nicht.

Mit notariellen Kaufverträgen von Februar und April 2010 veräußerte die Beklagte zu 2 die Eigentumswohnungen an den Beklagten zu 1. Zur Erfüllung des vereinbarten Kaufpreises übernahm der Beklagte zu 1 Darlehensverbindlichkeiten der Beklagten zu 2, die diese zur Finanzierung des Bauvorhabens aufgenommen hatte. Der Beklagte zu 1 wurde im Mai 2010 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.

Wegen der Werklohnforderungen von rund EUR 25.000 erhob die Klägerin gegen den Beklagten zu 1 Klage auf Bewilligung der Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek hinsichtlich beider Eigentumswohnungen. Die Beklagte zu 2 nahm sie auf Zahlung des Werklohns in Anspruch. Die Klage hatte sowohl in erster als auch in zweiter Instanz Erfolg. Mit der vom BGH zugelassenen Revision begehrt der Beklagte zu 1 die Abweisung der gegen ihn gerichteten Klage.

Inhalt Und Gegenstand Der Entscheidung

Der BGH hat der Revision des Beklagten zu 1 stattgegeben. Er hat die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, soweit dieses die Berufung des Beklagten zu 1 zurückgewiesen hat.

Der BGH führt aus, dass die Voraussetzungen, unter denen ein Unternehmer nach § 648 Abs. 1 Satz 1 BGB die Einräumung einer Bauhandwerkersicherungshypothek verlangen könne, im Verhältnis zum Beklagten zu 1 nicht vorlägen. Der Anspruch auf Einräumung einer Sicherungshypothek richte sich grundsätzlich gegen den Besteller der Werkleistung und setze voraus, dass dieser zugleich Eigentümer des Grundstücks sei, auf dem die Werkleistung erbracht werden solle. Der Beklagte zu 1 sei aber weder Besteller der von der Klägerin ausgeführten Werkleistung gewesen noch sei er im Zeitpunkt der Beauftragung der Werkleistung Eigentümer des Grundstücks gewesen, auf dem die Bauleistungen nach dem Vertrag zu erbringen gewesen seien.

Der Beklagte zu 1 brauche sich auch nicht so behandeln zu lassen, als sei er Besteller der Werkleistung der Klägerin gewesen. Insofern lägen die Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des BGH eine Durchbrechung des Grundsatzes der Personenidentität von Besteller und Eigentümer in Betracht komme, nicht vor. Eine solche Durchbrechung dieses Grundsatzes habe der BGH nämlich lediglich bei einer Fallgestaltung anerkannt, in der der Besteller bei Auftragserteilung nicht zugleich der Eigentümer des von der Werkleistung betroffenen Grundstücks gewesen sei. Solche Umstände hätten im zu entscheidenden Fall erkennbar nicht vorgelegen.

Der Unternehmer werde durch § 648 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich auch nicht davor geschützt, dass der Besteller das Grundstück veräußert, auf dem der Unternehmer die nach dem Vertrag geschuldete Bauleistung zu erbringen hat. Daran könne der Besteller nämlich aus den unterschiedlichsten Gründen ein berechtigtes Interesse haben, insbesondere wenn die Veräußerung des Grundstücks der Verwertung der von ihm im Hinblick auf das Grundstück getätigten Investitionen diene. Auch könne ein solches berechtigtes Interesse nicht von vorneherein verneint werden, weil die Beklagte zu 2 das Grundstück im Wege eines Insichgeschäfts an ihren alleinigen Geschäftsführer veräußert habe, der zugleich der alleinige Vorstand des einzigen Gesellschafters sei.

Der BGH brauche auch nicht abschließend zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Unternehmer den Erwerber eines Grundstücks, auf dem die Bauleistungen ausgeführt worden sind, wegen seiner Forderungen aus dem Vertrag mit dem Besteller ausnahmsweise auf Einräumung einer Sicherungshypothek in Anspruch nehmen kann. Ein solcher Ausnahmefall sei zwar unter Umständen zu bejahen, wenn im Verhältnis zum Erwerber die Voraussetzungen des § 826 BGB vorlägen, etwa wenn dieser das Grundstück in dolosem Zusammenwirken mit dem Besteller oder in Kenntnis einer Gläubigerbenachteiligungsabsicht erwerbe. In Betracht komme möglicherweise auch eine Inanspruchnahme des Beklagten zu 1 als Geschäftsführer der Beklagten zu 2 nach den Grundsätzen über die Eigenhaftung des Vertreters gemäß § 313 Abs. 3 BGB. Das Berufungsgericht habe aber bislang noch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Voraussetzungen eines Ausnahmefalls im zu entscheidenden Fall vorliegen. Der BGH könne in der Sache daher nicht selbst entscheiden, weshalb die Entscheidung aufzuheben und an das Berufungsgericht zurückzuverweisen sei.

Auswirkungen Auf Die Praxis

Mit der dargestellten Entscheidung betont der BGH in Anlehnung an seine frühere Rechtsprechung, dass ein Anspruch auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherungshypothek gemäß § 648 BGB grundsätzlich eine Personenidentität zwischen Auftraggeber und Eigentümer erfordert. Wird das zu belastende Grundstück daher veräußert, so kann der Unternehmer gegenüber dem neuen Eigentümer in der Regel keinen Anspruch auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherungshypothek für die ihm zustehenden Werklohnforderungen geltend machen. Lediglich in Ausnahmefällen, wie etwa dem dolosen Zusammenwirken von Auftraggeber und Unternehmer, kommt eine anderweitige Beurteilung in Betracht.

Unter Zugrundelegung der genannten Entscheidung können potentielle Erwerber daher zunächst einmal aufatmen. Sie müssen in der Regel nicht befürchten, dass ein Unternehmer auf dem erworbenen Grundstück nachträglich eine Bauhandwerkersicherungshypothek eintragen lässt. Allerdings ist zu beachten, dass die Ausführungen des BGH zur Frage, ob und in welchen Fällen ein Unternehmer im Falle einer Veräußerung die Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek verlangen kann, sehr vage sind. Auch handelt es sich bei den vom BGH genannten Ausnahmefällen lediglich um Beispiele und nicht um eine abschließende Aufzählung sämtlicher in Betracht kommender Ausnahmetatbestände. Insofern kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass der BGH auch in weiteren Fallgruppen einen Anspruch des Unternehmers auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherungshypothek gegenüber einem potentiellen Erwerber anerkennt. Ein gewisses Restrisiko in diesem Zusammenhang bleibt daher.

Unternehmern ist vor dem Hintergrund der genannten Entscheidung anzuraten, ihren Anspruch auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherungshypothek unverzüglich geltend zu machen, sofern sie von einem beabsichtigten Verkauf des zu belastenden Grundstücks Kenntnis erlangen. Um eine Veräußerung des Grundstücks vor Eintragung der Bauhandwerkersicherungshypothek zu vermeiden, sollten Unternehmer den Auftraggeber im Rahmen des Werkvertrages ferner dazu verpflichten, sie rechtzeitig von einem beabsichtigten Verkauf in Kenntnis zu setzen. Für Auftraggeber bedeutet die Entscheidung in erster Linie, dass sie im Falle einer geplanten Veräußerung mit einer ggf. kurzfristigen Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek rechnen müssen.

Dies sollte insbesondere bei engen Zeitplänen bedacht werden, um etwaige Abwicklungsprobleme im Zuge des Verkaufs zu vermeiden.

UNWIRKSAMKEIT DER SICHERUNGSABREDE WEGEN ÜBERSICHERUNG BEI VEREINBARUNG VON VERTRAGSERFÜLLUNGS- UND GEWÄHRLEISTUNGSBÜRGSCHAFTEN MIT ZEITLICHER ÜBERSCHNEIDUNG

By Anja Giesen

BGH, Urteil vom 22. Januar 2015 – VII ZR 120/2014

Die Vereinbarung von Anzahlungs-, Erfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften oder entsprechenden Garantien ist ein gängiges Sicherungsmittel in Bauprojekten jeder Größenordnung. Auch im Rahmen großer Projektentwicklungen werden Einzelheiten eines Vertrages nicht immer umfassend verhandelt oder es gibt Fälle, in denen bestimmte Parameter nicht zur Diskussion stehen, zum Beispiel im Rahmen von Bieterverfahren. So bewegt man sich schnell in einem rechtlichen Rahmen, der als allgemeine Geschäftsbedingungen qualifiziert werden kann. Die Rechtssprechung zu allgemeinen Geschäftsbedingungen hat sich zudem in eine Richtung entwickelt, dass es sich trotz intensiver Verhandlung von Vertragswerken bei einzelnen Klauseln um allgemeine Geschäftsbedingungen handeln kann. Wenn es einmal zu einem Rechtsstreit gekommen ist, kann es schwierig sein nachzuweisen, dass die streitgegenständliche Klausel ernsthaft zur Disposition gestellt wurde. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, die Grenzen zu kennen, in denen man sich im Rahmen allgemeiner Geschäftsbedingungen bewegen darf.

Sachverhalt

Der Auftraggeber (Kläger) hatte den Auftragnehmer mit der Errichtung einer neuen Flutlichtanlage für ein Stadion beauftragt und verlangt von der beklagten Bank (Beklagte) Zahlung aus einer Vertragserfüllungsbürgschaft.

Gemäß einer Regelung zu Sicherheitsleistungen in den – ergänzend zur VOB/B (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B) geltenden – besonderen Vertragsbedingungen (BVB) hatte der Auftragnehmer eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 5 Prozent der Auftragssumme zu übergeben, Nr. 6.1 BVB. Des Weiteren hatte der Auftragnehmer eine Gewährleistungsbürgschaft in Höhe von 3 Prozent der Auftragssumme zu stellen, Nr. 6.2 BVB. In den zusätzlichen Vertragsbedingungen (ZVB) war geregelt, dass die Vertragserfüllungsbürgschaft gemäß Nr. 33.1 ZVB Ansprüche auf Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dem Vertrag abdeckt, Gewährleistungsansprüche bereits eingeschlossen.

Bereits vor Abnahme knickte einer der errichteten Lichtmaste ab. Die Mängelbeseitigung wurde von der Auftragnehmerin vorfinanziert. Im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens wurde die Verantwortlichkeit geklärt und der Auftragnehmer zur Zahlung von insgesamt EUR 492.807,43 (davon EUR 191.400 gesamtschuldnerisch mit dem Planer, der diesen Betrag ausglich) verurteilt. Der Auftragnehmer zahlte lediglich EUR 10.000 bevor über das Vermögen des Auftragnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass die Beklagte nicht zahlen muss und sich aufgrund unwirksamer Sicherungsabrede erfolgreich auf die Einrede gemäß § 768 Abs. 1 S. 1, § 821 BGB berufen konnte.

Der BGH stützt seine Entscheidung auf eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers gemäß § 9 Abs. 1 AGBG a.F. (heute § 307 Abs. 1 BGB) aufgrund Übersicherung des Auftraggebers für Gewährleistungsansprüche. Entscheidend für die Annahme einer Übersicherung war das Zusammenwirken der vorgenannten Regelungen Nr. 6.1 und 6.2 BVB in Verbindung mit einer Regelung Nr. 34.6 der Zusätzlichen Vertragsbedingungen (ZVB), wonach die Urkunde über die Vertragserfüllungsbürgschaft erst nach vorbehaltloser Anbnahme der Schlusszahlung zurück zu geben ist und unter den weiteren Voraussetzungen, dass der Auftragnehmer die Leistung vertragsgemäß erfüllt hat, etwaig erhobene Ansprüche befriedigt hat und eine vereinbarte Sicherheit für Gewährleistung geleistet hat. Diese Regelung ermögliche es dem Auftraggeber, die Vertragserfüllungsbürgschaft auch noch längere Zeit nach der Abnahme zu behalten, nämlich so lange noch Streit über noch offene Forderungen des Auftrahnehmers bestünde. Bis zu diesem Zeitpunkt entstandene Gewährlesitungsansprüche wären auch über die Vertragserfüllungsbürgschaft mitgesichert. So könne sich die Situation ergeben, dass für einen nicht unerheblichen Zeitraum Gewährleistungsansprüche durch die wegen noch nicht erfolgter vorbehaltloser Abnahme der Schlusszahlung noch nicht zurückgewährte Vertragserfüllungsbürgschaft einerseits und die bereits mit Abnahme zu stellende Gewährleistungsbürgschaft andererseits abgesichert wären, also insgesamt mit 8 Prozent der Auftragssumme.

Der BGH hatte bereits durch Urteil vom 1. Oktober 2014 (VII ZR 164/12) entschieden, dass eine Übersicherung und damit unagemessene Benachteilung gegeben ist, wenn für einen jedenfalls erheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus der Auftragnehmer eine Sicherheit durch selbstschuldnerische Bürgschaft in Höhe von 7 Prozent der Auftragssumme zu leisten hat. Daran schließt sich diese Entscheidung an und der BGH kommt auch hier zu einer unwirksamen Sicherungsabrede. In seiner Entscheidung ist der BGH auch darauf eingegangen, dass eine Anpassung der Klausel durch Streichung des Passus nach vorbehaltloser Abnahme der Schlusszahlung" nicht in Betracht komme, da die Regelung inhaltlich entgegen der Absicht des Klauselverwenders zu sehr geändert würde.

Auswirkungen auf die Praxis

Bei der Ausgestaltung der Sicherheitsabrede ist eine Übersicherung jedenfalls bei Vereinbarung einer Bürgschaft und im Rahmen allgemeiner Geschäftsbedingungen zu vermeiden, um eine wirksame Absicherung zu erzielen. Darauf ist neben der reinen Höhe einer Sicherheit bei dem Zusammenwirken verschiedener Bürgschaften und den jeweiligen Rückgaberegelungen zu achten. Überschneidungen sind zum Beispiel durch eine Umwandlung der Bürgschaftsurkunden oder einen Austusch Zug-um-Zug gegen Rückgabe der Erfüllungsbürgschaft zu vermeiden. Dass sich der Bürge auf Einwendungen des Schuldners aus der Sicherungsabrede berufen kann, ergibt sich aus dem Akzessorietätsprinzip der Bürgschaft zur Hauptschuld. Daher ist es aus Sicht des Auftraggebers außerdem empfehlenswert, statt Bürgschaften selbständige Garantien zu verlangen.

To read this Newsletter in full, please click here.

Originally published March 19, 2015

Mayer Brown is a global legal services provider comprising legal practices that are separate entities (the "Mayer Brown Practices"). The Mayer Brown Practices are: Mayer Brown LLP and Mayer Brown Europe – Brussels LLP, both limited liability partnerships established in Illinois USA; Mayer Brown International LLP, a limited liability partnership incorporated in England and Wales (authorized and regulated by the Solicitors Regulation Authority and registered in England and Wales number OC 303359); Mayer Brown, a SELAS established in France; Mayer Brown JSM, a Hong Kong partnership and its associated entities in Asia; and Tauil & Chequer Advogados, a Brazilian law partnership with which Mayer Brown is associated. "Mayer Brown" and the Mayer Brown logo are the trademarks of the Mayer Brown Practices in their respective jurisdictions.

© Copyright 2014. The Mayer Brown Practices. All rights reserved.

This Mayer Brown article provides information and comments on legal issues and developments of interest. The foregoing is not a comprehensive treatment of the subject matter covered and is not intended to provide legal advice. Readers should seek specific legal advice before taking any action with respect to the matters discussed herein.