I. EINLEITUNG

Die Corona-Krise hat nicht nur Auswirkungen auf den Alltag jedes Einzelnen sondern auch auf das Justizsystem der Schweiz. Die angeordneten Massnah-men des Bundesrates zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19-Verordnung 2) führen zu Einschränkungen für die Gerichte und Behörden sowie auch für die Rechtssuchenden.

Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) analysiert die Lage laufend und prüft allfällige Massnahmen. Bisher erliess der Bundesrat zwei Verordnungen:

- Die Verordnung über den Rechtsstillstand gemäss Artikel 62 des Bundes-gesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs vom 18. März 2020.

- Die Verordnung über den Stillstand der Fristen in Zivil- und Verwaltungsver-fahren zur Aufrechterhaltung der Justiz im Zusammenhang mit dem Coronavirus vom 20. März 2020.

Nachstehend wird ein Überblick zur aktuellen Rechtslage gegeben und aufge-zeigt, was es bei Rechtsstreitigkeiten zu beachten gilt:

II. RECHTSSTILLSTAND IM SCHULDBETREIBUNGS- UND KONKURSVER-FAHREN

Als erste Massnahme im Justizwesen auf Bundesebene erliess der Bundesrat am 18. März 2020 die Verordnung über den Rechtsstillstand gemäss Arti-kel 62 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG). Da-rin legte der Bundesrat fest, dass im Betreibungswesen vom 19. März 2020 bis und mit 4. April 2020 der so genannte Rechtsstillstand gilt.

Sinn und Zweck des verordneten Rechtsstillstandes ist es, Schuldnern in dieser ausserordentlichen Lage wegen des Coronavirus eine gewisse Schonzeit zu gewähren.

1. Inhalt und Geltungsbereich

Der verordnete Rechtsstillstand führt dazu, dass während der Dauer vom 19. März 2020 bis 4. April 2020 in der ganzen Schweiz keine Betreibungshand-lungen vorgenommen werden dürfen. Betreibungshandlungen sind Handlungen der zuständigen Behörden im Betreibungswesen, welche darauf abzielen, das Zwangsvollstreckungsverfahren einzuleiten und voranzutreiben. Im Einzelnen zählen insbesondere folgende Handlungen dazu:

- die Zustellung eines Zahlungsbefehls bzw. einer Konkursandrohung an den Schuldner;

- die Vorladung zur Rechtsöffnungsverhandlung bzw. zur Verhandlung betref-fend Konkurseröffnung;

- der Erlass der definitiven oder provisorischen Rechtsöffnung bzw. die Eröff-nung des Konkurses;

- die Vornahme einer Pfändung (auch Lohnpfändung);

- die Verwertung von Vermögenswerten durch Versteigerung oder Freihand-verkauf.

Keine Betreibungshandlung stellt die Einreichung eines Betreibungsbegehrens durch den Gläubiger dar. Ein Betreibungsbegehren kann auch während des Rechtsstillstands gestellt werden.

Vom Rechtsstillstand ausgenommen sind ausserdem vorsorgliche und dringli-che Massnahmen des Zwangsvollstreckungsrechts. So wird beispielsweise das Arrestverfahren vom Rechtsstillstand nicht berührt.

2. Zeitlicher Geltungsbereich

Der vom Bundesrat verordnete Rechtsstillstand gilt vom 19. März 2020 bis und mit dem 4. April 2020. Direkt im Anschluss zum verordneten Rechtsstillstand beginnen die gesetzlichen Betreibungsferien. Die Betreibungsferien dauern bis zum 19. April 2020.

Der Rechtsstillstand und die gesetzlichen Betreibungsferien haben beide die gleichen Wirkungen auf das Zwangsvollstreckungsverfahren. Folglich geltend die Einschränkungen im Zwangsvollstreckungsverfahren vom 19. März 2020 bis zum 19. April 2020.

Es ist möglich, dass der Bundesrat nach Ablauf der Betreibungsferien den Rechtsstillstand verlängern wird.

3. Wirkungen für den Fristenlauf

Der Rechtsstillstand und die Betreibungsferien führen zwar dazu, dass SchKG-Fristen während ihrer Dauer mangels möglicher Betreibungshandlungen nicht zu laufen beginnen, jedoch nicht zu einer Unterbrechung laufender Fristen. Be-reits laufende Fristen werden durch den Rechtsstillstand und die Betreibungsfe-rien nicht gehemmt. Läuft eine Frist während der Dauer des Rechtsstillstandes oder den Betreibungsferien ab, so verlängert sich die Frist jedoch bis zum 3. Werktag nach Ende des Rechtsstillstandes oder der Betreibungsferien. Im konkreten Fall bedeutet dies, dass falls eine bereits laufende Frist in der Zeit-spanne vom 19. März 2020 bis 19. April 2020 endet, diese Frist (einstweilen) bis zum 22. April 2020 verlängert wird.

4. Was es zu beachten gilt

Der Rechtsstillstand stellt keine privatrechtliche Stundung oder einen Schul-denerlass dar. Schuldner müssen ihren Verpflichtungen gegenüber den Gläubi-gern weiterhin nachkommen. Kommt der Schuldner seiner Zahlungsverpflich-tung nicht nach, steht es dem Gläubiger nach wie vor offen, gegen den Schuld-ner eine Betreibung einzuleiten bzw. ein Betreibungsbegehren einreichen. Der Rechtsstillstand schützt den Schuldner lediglich dahingehend, dass während der Dauer des Rechtsstillstandes keine Betreibungshandlungen, mit Ausnahme von dringlichen Massnahmen, gegen ihn durchgeführt werden können.

Mit Blick auf die Unterbrechung von Verjährungsfristen ist darauf hinzuweisen, dass die Einreichung eines Betreibungsbegehrens trotz des Rechtsstillstandes ein erlaubtes und geeignetes Mittel darstellt und als solches weiterhin genutzt werden darf.

III. FRISTENSTILLSTAND IN ZIVIL- UND VERWALTUNGSVERFAHREN

Als weitere Massnahme im Justizwesen auf Bundesebene erliess der Bundes-rat am 20. März 2020 die Verordnung über den Stillstand der Fristen in Zivil- und Verwaltungsverfahren zur Aufrechterhaltung der Justiz im Zusammenhang mit dem Coronavirus (COVID-19). Darin legte der Bundesrat fest, dass die or-dentlichen Fristenstillstände über die bevorstehenden Ostertage bereits ab dem 21. März 2020 gelten und bis zum 19. April 2020 andauern werden.

Mit diesem Fristenstillstand will der Bundesrat den Gerichten, den Anwälten und den Parteien eine Atempause verschaffen, um sich auf die derzeit schwierige Situation einzustellen. Der Bundesrat betont jedoch, dass die Justiz gerade in Krisenzeiten in ihren Kernfunktionen funktionsfähig bleiben müsse, weshalb Notmassnahmen nur mit grosser Zurückhaltung beschlossen würden.

1. Inhalt und Geltungsbereich

Die Verordnung legt fest, dass der vom anwendbaren Verfahrensrecht des Bundes oder des Kantons vorgesehene Fristenstillstand über die Ostertage be-reits am 21. März 2020 beginnt. Die gesetzlichen oder behördlich angeordneten Fristen stehen folglich seit dem 21. März 2020 still.

Der Fristenstillstand gilt in allen Verfahren nach Bundesrecht oder nach kanto-nalem Recht. Ausgenommen sind Verfahren, in denen generell keine Gerichts-ferien vorgesehen sind, namentlich das Schlichtungsverfahren, das summari-sche Verfahren, wie beispielsweise das Eheschutzverfahren und das Verfahren betreffend die Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts. Auch das Strafver-fahren kennt keine Gerichtsferien.

Im Allgemeinen gilt, dass Verfahren mit einer gewissen Dringlichkeit vom Fris-tenstillstand nicht erfasst werden.

2. Zeitlicher Geltungsbereich

Der Fristenstillstand trat am 21. März in Kraft und gilt bis nach Beendigung der ordentlichen Gerichtsferien über die Ostertage, das heisst am 19. April 2020.

Es ist auch hier möglich, dass der Bundesrat eine Verlängerung des Fristenstill-standes verordnen wird.

3. Wirkungen des Fristenstillstandes

Der Fristenstillstand bewirkt, dass bei behördlichen und gerichtlichen Zustellun-gen während des Stillstandes der Fristenlauf erst am Tag nach Ende des Still-standes beginnt. Zum Zeitpunkt des Beginns des Fristenstillstands bereits lau-fende Fristen werden vom Stillstand unterbrochen bzw. stehen still und begin-nen erst nach Ablauf der Gerichtsferien weiter zu laufen. Im konkreten Fall be-deutet dies, dass neue Fristen überhaupt erst ab dem 20. April 2020 zu laufen beginnen und bereits laufende Fristen vom 21. März 2020 bis und mit 19. April stillstehen und erst ab dem 20. April 2020 weiterlaufen.

Zudem gilt, dass während des Fristenstillstandes über die Ostertage, und somit bereits seit dem 21. März 2020, keine Gerichtsverhandlungen stattfinden.

4. Was es zu beachten gilt

Der beschlossene Fristenstillstand betrifft lediglich die Verfahren, welche nach den ordentlich geltenden gesetzlichen Bestimmungen über die Osterfeiertag Gerichtsferien vorsehen. Verfahren, bei denen Dringlichkeit gegeben ist, sind nicht betroffen. Bei Unsicherheit empfiehlt es sich, Rücksprache mit dem zu-ständigen Gericht oder der Behörde aufzunehmen.

Nebst dem Fristenstillstand wurden vom Bundesrat keine weiteren Massnah-men in Zusammenhang mit dem Gerichtsbetrieb getroffen. Der Bundesrat ver-zichtete bewusst darauf, momentan landesweit sämtliche Verhandlungstermine zu vertagen, Verfahren zu sistieren oder die Zustellung von Urteilen, Entschei-den und Verfügungen einzustellen.

Die geltenden Verfahrensgesetze lassen Raum für individuelle Lösungen der Behörden und Gerichte. Davon haben die Kantone für ihren jeweiligen Ge-richtsbetrieb auch bereits Gebrauch gemacht und einige Massnahmen erlas-sen. Ist man Partei in einem hängigen Verfahren, so ist es demnach wichtig, dass man sich bei der betreffenden Behörde oder dem Gericht bzw. auf deren Webseite oder telefonisch über die getroffenen Anordnungen und deren konkre-te Auswirkungen auf den Gerichtsalltag informiert.

Auch das Bundesgericht hat Spezialmassnahmen erlassen. So hat die Verwal-tungskommission des Bundesgerichts bereits am 17. März 2020 einen Fristen-stillstand für die vom Bundesgericht in seinen laufenden Verfahren angesetzten Fristen vom 19 März 2020 (zunächst) bis zum 19. April 2020 beschlossen. Da-von ausgenommen wurden alle dringenden Angelegenheiten, namentlich Fris-ten im Zusammenhang mit Haftsachen, Erwachsenen- und Kindesschutz und vorsorgliche Massnahmen.

IV. KEIN STILLSTAND VON MATERIELL-RECHTLICHEN FRISTEN

Von den oben stehenden Fristen sind die materiell-rechtlichen Fristen zu unter-scheiden. Bei diesen handelt es sich namentlich um Fristen, deren Fristablauf die Verjährung oder die Verwirkung eines Rechtsanspruches zur Folge hat.

Materiell-rechtliche Fristen stehen nicht still und müssen auch in der gegenwär-tigen Situation durch eine Unterbrechungshandlung (Betreibung, Schlichtungs-gesuch) gewahrt werden.

The content of this article is intended to provide a general guide to the subject matter. Specialist advice should be sought about your specific circumstances.